Remscheid. Die deutschen Gewerkschaften warnen vor Massenentlassungen. Die Politik sollte härter für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen, forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund auf der zentralen Mai-Kundgebung in NRW. Firmen würden gerettet, die Beschäftigten blieben aber auf der Strecke.

Die Gewerkschaften haben die Bundesregierung am Tag der Arbeit zum entschlossenen Kampf gegen drohende Massenentlassungen aufgefordert. Immer mehr Beschäftigte bangten um ihren Arbeitsplatz und müssten gegen den sozialen Abstieg kämpfen, heißt es im Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum 1. Mai. Unternehmen und die Politik müssten alle Mittel nutzen, um Beschäftigung zu sichern. Die Hauptveranstaltung mit DGB-Chef Michael Sommer findet am Mittag in Bremen statt.

IG-Metall-Chef Berthold Huber forderte zur Bewältigung der Folgen der Wirtschaftskrise einen staatlichen Rettungsschirm auch für die Betriebe und ihre Beschäftigten. Huber kritisierte laut vorab verbreitetem Redetext am Freitag auf einer Maikundgebung in Saarbrücken, dass dreistellige Milliardenbeträge für Banken bereitgestellt würden, einstellige Milliardenbeträge für Industrieunternehmen aber als marktwidrig bezeichnet würden.

Bsirske fordert Anhebung der Hartz-IV-Sätze

Die vielen Millionen, die um ihren Arbeitsplatz bangten, hätten einen Anspruch «auf einen Schutzschirm für Beschäftigte». Die Folgen der Krise dürften nicht «auf dem Rücken der wirklichen Leistungsträger, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer» abgeladen werden. Huber warnte auch die Arbeitgeber davor, aus der Krise Profit ziehen und Löhne drücken zu wollen. «Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz», sagte der Vorsitzende der größten deutschen Gewerkschaft.

Auch Verdi-Chef Bsirske forderte einen Rettungsschirm für die Arbeitnehmer und schlug dazu einen Beteiligungsfonds zur Unternehmenssicherung vor, der durch eine Anleihe auf Vermögen über 750.000 Euro finanziert werden solle. Dies würde laut Bsirske dem Kriegsfolgenlastenausgleich der 50er Jahre entsprechen.

Bsirske forderte laut vorab verbreitetem Redetext in Mannheim zudem ein drittes Konjunkturpaket in Höhe von 100 Milliarden Euro für Investitionen unter anderem in Bildung, aber auch zur Anhebung der Hartz-IV-Sätze. Dies würde die Kaufkraft stärken und zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen oder sichern. Zur Finanzierung plädierte Bsirske für höhere Steuern für Reiche und Besserverdienende sowie auf Unternehmensgewinne.

Auch der scheidende IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt kritisierte in Witten, dass die Regierung zwar einen Schutzschirm für Banken aufgespannt habe, aber zahlreiche andere Unternehmen im Regen stehen lasse. «Solch einen Unfug können nur neoliberale Ideologen produzieren», kritisierte Schmoldt nach Angaben seiner Gewerkschaft. Die Industrie sei Kern der Wertschöpfungskette, weshalb auch für sie ein Schutzschirm aufgespannt werden müsse.

Mehr Einsatz für Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen fordert größere Anstrengungen der Politik zur Schaffung von Arbeitsplätzen. DGB-Bezirksleiter Guntram Schneider sagte am Freitag in Remscheid bei der zentralen Mai-Kundgebung in NRW, seine größte Sorge sei, dass im Zuge der Wirtschaftskrise zwar Unternehmen gerettet würden, die Beschäftigten aber auf der Strecke blieben. Die Krise sei erst überwunden, wenn Beschäftigung geschaffen und «gute Arbeit für alle» sichergestellt sei. Schneider appellierte an Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), sich mit dem DGB diesem Ziel zu verschreiben.

Rüttgers: Krise ist auch Chance

Der Gewerkschafter betonte, die Wirtschaftskrise sei auch eine Krise der Politik. Die Politik habe es versäumt, dafür zu sorgen, «dass alle Menschen die Freiheit haben, ihren Platz in und Teilhabe an der Gesellschaft zu finden und ein gerechtes Miteinander zu ermöglichen».

Rüttgers sagte bei der gleichen Mai-Kundgebung, er sei sich bewusst, dass die derzeitige Wirtschaftskrise vielen Menschen weh tue. Viele Bürger verlören in diesen Tagen ihre Arbeit und wüssten nicht, was kommt. Dennoch stehe in der Krise auch eine Chance. Die Weltbevölkerung lerne nun, dass die Finanzmärkte klare Spielregeln benötigten.

SPD: Schutzschirm für Arbeitsplätze

Die SPD in Nordrhein-Westfalen fordert angesichts der Wirtschaftskrise einen «Schutzschirm für Arbeitsplätze». Landespartei- und Fraktionschefin Hannelore Kraft sagte am Freitag bei einer Mai-Kundgebung in Mülheim: «Wir sorgen uns um jeden einzelnen Arbeitsplatz.» Das gelte vor allem auch um die Jobs in den vielen kleinen und mittleren Unternehmen.

Ganz besonders müsse um die industriellen und gewerblichen Arbeitsplätze gekämpft werden, «denn nach der Krise werden solche Arbeitsplätze bei uns nicht wieder neu entstehen», betonte Kraft. Sie fügte hinzu: «Damit droht der Verlust unserer wirtschaftlichen Basis.»

Es müsse darum gehen, Arbeit zu finanzieren und nicht Arbeitslosigkeit, sagte die SPD-Landeschefin. Sie wisse viele Manager und Unternehmer an ihrer Seite, die die verzweifelt bemüht seien, ihre Mitarbeiter «irgendwie zu halten, um nicht nach der Krise in die Falle des Facharbeitermangels zu laufen». Kraft forderte zugleich, die Mitbestimmung von Arbeitnehmern zu stärken sowie die Tarifautonomie zu verteidigen. (ap/ddp)

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