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Die schleswig-holsteinische Landesregierung sieht in Flüssiggas-Tankstellen ein großes Sicherheitsrisiko: Zapfanlagen könnten leicht explodieren. Bei einem Test wiesen viele Tankstellen Mängel auf, einige mussten sofort stillgelegt werden.
Sind viele der 5900 Flüssiggas-Tankstellen in Deutschland Sicherheitsrisiken? Tanks und Leitungen sind oft nicht ausreichend geschützt, weil Sicherheitszertifikate zu leichtfertig erteilt werden, behauptet die schleswig-holsteinische Landesregierung.
In einem Eilantrag an der Bundesrat, der morgen auf der Tagesordnung steht, warnt sie: Bei Unfällen kann es zu „Großschadensereignissen“ und verheerenden Explosionen mit Personenschäden kommen. Kiel hat alle Anlagen in dem norddeutschen Bundesland ausführlichen Tests unterzogen. Dabei wiesen von den dort bestehenden 272 Tankstellen 132 Mängel auf. 26 mussten sofort stillgelegt werden.
Nordrhein-westfälische Landesregierung schwächt Ergebnisse ab
Nach Angaben der Kieler Landesregierung sind die anderen Bundesländer von den entdeckten Sicherheitslücken informiert worden. Die Trends der Ermittlungen hätten die schleswig-holsteinischen Erkenntnisse bestätigt, schreibt sie in ihrem Papier für die Sitzung der Ländervertretung.
Das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium schwächt das für NRW ab. Ende 2008 und Anfang 2009 sei die Arbeit der mit der Prüfung beauftragten „zugelassenen Überwachungsstellen“ und auch der geprüften Anlagen wie zum Beispiel Flüssiggas-Tankstellen und Aufzüge untersucht worden. Dabei seien „Probleme in dem Umfang und in dem Ausmaß wie in Schleswig-Holstein nicht entdeckt worden“, sagte ein Ministeriumssprecher.
Schon Aufprall eines Smart setzte hochexplosives Flüssiggas frei
Nach dem Bericht aus Kiel halten offenbar viele Anlagen schon den Aufprall eines rollenden Kleinwagens nicht aus. Genau so ein Unfall mit einem Smart hatte im Sommer 2009 die Untersuchungen in Gang gesetzt. Dabei waren 2500 Liter Flüssiggas freigesetzt worden - eine Sprengkraft von 600 Kilo TNT. „Dass es hierbei nicht zu einem Großschadenereignis gekommen ist, ist lediglich auf das glückliche Zusammentreffen mehrerer Umstände zurückzuführen“, heißt es in dem Kieler Bericht. So sei „keine Zündquelle“ in der Nähe gewesen. Schon das Betätigen einer Klingel aber hätte eine Explosion auslösen können.
Das als sparsamer und klimaschonender Treibstoff boomende Flüssiggas gilt als hochexplosiv. Erst in diesem August flog eine Tankstelle in Bielefeld in die Luft, wobei jedoch keine Menschen in der Nähe waren. Dagegen kamen beim Bahnunglück von Viareggio, als Flüssiggas-Tankwagen entgleisten und anschließend explodierten, 20 Menschen ums Leben.
Vorwurf: Gutachter prüfen die Tankstellen nur unzureichend
Die Kieler Landesregierung macht „zugelassenen Überwachungsstellen“, die technischen Anlagen in Deutschland die Sicherheitszertifikate erteilen, massive Vorwürfe. Zu solchen Organisationen gehören zum Beispiel TÜV, Dekra, GTÜ oder SGS. Alle in dem Nord-Bundesland bemängelten Gas-Tankstellen hätten zuvor das technische O.K. erhalten, und auch in anderen Bundesländern „wurden in großem Umfang fehlerhafte Gutachten und Prüfbescheinigungen gefunden“, sagt das Kieler Arbeitsministerium, „es muss davon ausgegangen werden, dass auch andere, gefährliche und überwachungsbedürftige Anlagen nicht den Vorschriften entsprechend geprüft werden und nicht nur Flüssiggas-Tankstellen betroffen sind“.
Die Prüf-Organisationen sind zudem unterversichert. Die Ländervertretung soll jetzt darüber entscheiden, ob die Mindestdeckungssumme der Haftpflicht dieser „zugelassenen Überwaschungsstellen“ von heute 2,5 Millionen Euro auf 20 Millionen erhöht wird. Zum Vergleich: Ein Autofahrer ist mit mindestens 7,5 Millionen Euro bei einem Unfall versichert. Prüforganisationen, die Kernkraftwerke checken, sind dagegen mit mehr als 20 Millionen Euro Versicherungs-Deckung ausgestattet. Nordrhein-Westfalen erklärte heute, es werde dem Vorschlag aus Kiel zustimmen.