Berlin. .

Die Debatte um das Für und Wider schärferer Sicherheitsgesetze zieht sich quer durch das politische Spektrum. Grund sind die jüngsten Terrorwarnungen der Bundesregierung. In der Kritik: die Vorratsdaten-Speicherung.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat Forderungen nach verschärften Sicherheitsgesetzen zurückgewiesen. „Ich unterstützte den Bundesinnenminister in seinem Bemühen, mit der veränderten Sicherheitslage besonnen umzugehen“, sagte sie. „Neuer Sicherheitsgesetze bedarf es dazu nicht.“

Die FDP-Politikerin warnte vor einer „politischen Instrumentalisierung der aktuellen Situation für einseitige Sicherheitsgesetze“. Ebenso wenig will sie das vom Bundesverfassungsgericht verworfene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Deutschland wieder aufleben lassen. „Datenberge alleine helfen nicht weiter. Nachhaltige Sicherheitspolitik braucht qualifiziertes Personal und moderne Ausstattung.“ Die Ministerin kündigte aber an, ihr Haus bereite eine „anlassbezogene Nutzung von Verbindungsdaten“ nach dem „Quick-freeze“-Verfahren vor. Das sogenannte Schockfrosten ziele darauf, Telekommunikations-Verkehrsdaten etwa zur Strafverfolgung vorübergehend „einzufrieren“ und nach Genehmigung wieder „aufzutauen“. In den USA werde das Verfahren bereits erfolgreich praktiziert.

„Das ist die Stunde der Exekutive.“

Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), will kein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung und hat sich damit gegen Rufe aus der eigenen Fraktion gewandt. „Das ist jetzt nicht die Stunde für gesetzgeberischen Aktionismus“, sagte er, sondern „die Stunde der Exekutive und der Sicherheitsbehörden“.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte unterdessen vor schnellen Reaktionen der Politik. „Bei jeder Terrorwarnung kommt reflexartig der Ruf nach schärferen Gesetzen. Die Entscheidung über eine Neuregelung darf aber nicht über das Knie gebrochen werden“, forderte der Datenschützer. Dem Ruf nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung erteilte auch er eine Absage. Wenn über ein halbes Jahr registriert würde, wer mit wem telefoniert habe und wer mit welcher Identität im Internet unterwegs gewesen sei, wäre dies „ein viel zu weitgehender Eingriff in unsere Grundrechte“, warnte Schaar.

„Warum machen wirs dann nicht lieber selbst?“

Der stellvertretende innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, sieht unter „strengen rechtsstaatlichen Auflagen“ durchaus Chancen für die Anwendung von Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung zur Verbrechensbekämpfung. Er empfinde Beklommenheit, dass Deutschland bei der Terrorbekämpfung auf „Brosamen befreundeter Nachrichtendienste“ angewiesen sei: „Wenn ausländische Dienste Online-Durchsuchungen vornehmen und uns Ergebnisse liefern - warum machen wirs dann nicht lieber selbst?“

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgeworfen, das Parlament unzureichend über die Hintergründe der am Mittwoch ausgesprochenen Terrorwarnung zu informieren. Er äußerte sich skeptisch zur Glaubwürdigkeit der Terrorwarnung. In den vergangenen Jahren seien schließlich immer wieder derartige Warnungen herausgegeben worden, begründete er seinen Zweifel. Vielmehr habe er den Verdacht, die Bundesregierung verstärke die Terrorangst, um die Sicherheitsgesetze zu verschärfen und die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Ströbele gehört auch dem parlamentarischen Kontrollgremium an, das die Arbeit der Geheimdienste überprüfen soll.

Verschärfte Sicherheitskontrollen

Die verschärften Sicherheitskontrollen in Deutschland sollen nach Polizeiangaben mindestens bis Jahresende aufrechterhalten werden. Auch auf großen Weihnachtsmärkten sei demnach bundesweit massive Polizeipräsenz vorgesehen, sagte der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Solange die Weihnachtsmärkte laufen, müssen wir jederzeit mit Anschlägen rechnen und werden die Bevölkerung durch sichtbare Präsenz auch auf den Märkten schützen.“ Die Anschlagsgefahr beschränke sich nicht auf Großstädte wie Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München, betonte Wendt. Nach seinen Worten steht die deutsche Polizei in den nächsten Wochen „vor der größten Herausforderung in der Nachkriegsgeschichte“.

Vor dem Hintergrund der gestiegenen Terrorgefahr will die schwarz-gelbe Koalition die Sicherheitsbehörden durch 600 neue Stellen bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zoll verstärken. FDP-Haushalts- und Innenexperte Florian Toncar geht davon aus, dass das Gros des neuen Personals für die Bundespolizei eingesetzt wird. Nach seinen Angaben seien die bisherigen Sparpläne für die Bundespolizei endgültig vom Tisch. „Wir werden keine Haushaltssanierung auf Kosten der Sicherheit vornehmen“, sagte er. Bislang hatte die Bundesregierung die Streichung von bis zu 1.000 Stellen bei der Bundespolizei in den kommenden vier Jahren geplant. (dapd)