Berlin. .

Wahlkampf oder Wickeltisch? Andrea Nahles, SPD-Generalsekretärin und im siebten Monat schwanger, fürchtet berufliche Nachteile durch die Geburt ihres Kindes.

Es tut sich was im Willy-Brandt-Haus. Neuerdings haben sie eine Wickelkommode. Rein praktisch ist also vorgesorgt, wenn SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im Januar 2011 ihr Kind bekommt. Doch der Haussegen in der SPD hängt schief, seit Nahles zu verstehen gab, dass ein Kind politisch ein Risiko ist. Genauer: ein Arbeitsplatzrisiko.

Der Zeitschrift „Brigitte“ sagte sie, ihr Job sei einer, der „Begehrlichkeiten weckt“. Sie wisse ganz genau: „Bei der ersten Situation, in der es schwierig wird, kann ich mit deren Solidarität nicht rechnen. Und damit meine ich nicht nur den politischen Gegner, sondern befürchte das auch in meiner eigenen Partei.“ Hört, hört.

Nahles lebt moderne Partnerschaft vor

Das mag auch der Grund sein, warum sie zwei Monate nach der Geburt ihr Amt wieder antreten will. Zudem ist 2011 ein Jahr der Wahlkämpfe. Nebenbei soll eine Parteireform kommen. Für die Generalsekretärin ist es ein Jahr der Bewährung. Da ist es gut, dass Nahles eine moderne Partnerschaft vorleben kann.

Gegen alle Rollenerwartungen wird sich erst ihr Mann Marcus Frings um das Kind kümmern, übrigens ein Mädchen. Nahles, die einst in der Abi-Zeitung als Lebensperspektive „Hausfrau oder Bundeskanzlerin“ angab, will keine Hausfrau abgeben.

Nahles hat viele Mails, selbst aus anderen Parteien, erhalten. Es gibt viele Frauen, die es toll fanden, dass sie so ungeschützt über die Schwierigkeit sprach, Familie und Spitzenpolitik zu verbinden. Zum Beispiel wurde sie gefragt, ob sie ihre Aufgabe als Teilzeitjob erledigen kann. Das würde bedeuten, „dass ich nur 40 Stunden arbeite“, so Nahles.

Frauen in der Politik haben wie Kanzlerin Angela Merkel keine Kinder oder starten erst durch – Sozialministerin Ursula von der Leyen –, wenn der Nachwuchs aus dem Gröbsten raus ist. Macht Nahles ein Experiment? Es ist gut möglich, dass sie mit dem Interview ihre Partei um Verständnis dafür bitten wollte, dass in den ersten Monaten nicht alles perfekt laufen kann. Und: Wer glaubt, dass sie sich nicht wehren kann, ist schief gewickelt. Sie will sich auch als Mutter in der Politik behaupten.

SPD und Frauenquote

Es gibt Probleme: die vielen Termine, Stress, Zeitnot, so dass Kinderwünsche in der Politik besonders gut geplant werden müssen. Sie sind meist, nun ja, „Kopfgeburten“. Und dann gibt es noch ein anderes Problem: Rücksichtslosigkeiten. Da­rauf spielte Nahles wohl an. Was die Generalsekretärin jedoch übersah, ist, dass sie der SPD ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis ausstellte.

Politisch gibt man sich familienfreundlich und streitet für die Frauenquote. Die Praxis aber sieht anders aus: Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier darf sich zugunsten seiner Frau eine Auszeit nehmen, ohne dass man(n) ihm nach dem Job trachtet. Eine Generalsekretärin muss genau darum fürchten.

Wen hat sie im Auge?

In erster Linie spricht Nahles bei „Brigitte“ über normale Sorgen, die viele Väter und alle Mütter kennen. Nun zieht das Gespräch immer weitere Kreise, nachdem man erkannte, dass in der gefühligen Ge­schichte eine politische Nachricht schlummert. Man spekuliert darüber, wen Nahles im Auge hatte. War es SPD-Chef Sigmar Gabriel? Oder doch Fraktionsmanager Thomas Oppermann, der ihr regelmäßig die Schau stiehlt?

Unterstützung bekam Nahles von einer Frau aus der CDU. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder sagte der NRZ: „Wir alle haben höchsten Respekt vor der Entscheidung von Frank-Walter Steinmeier, sich für seine Familie eine zeitlang aus der Politik zurückzuziehen. Ich hoffe, dass auch Frau Nahles genau diesen Respekt erfährt.“