Kairo/Bagdad. .
Eine neue Attentatsserie erschüttert die christliche Minderheit. Eine Autobombe riss am Mittwoch sechs Menschen in den Tod. Es gab auch Drohbriefe mit Gewehrpatronen am Kuvert. Steht das Land vor einer neuen Massenflucht?
Panik und Verzweiflung hat eine neue schwere Anschlagsserie unter den Christen im Irak ausgelöst. Mittwochfrüh explodierten ein Dutzend Autobomben vor Häusern in Bagdad, die von Christen bewohnt werden. Andere Wohnungen wurden mit Raketen beschossen. Nach Angaben des irakischen Verteidigungsministeriums starben mindestens sechs Menschen, über 35 wurden verletzt, darunter auch Kinder.
Am Abend zuvor waren im Westen der Hauptstadt zwei Häuser von Christen in Schutt und Asche gelegt worden, in denen sich zur Tatzeit allerdings niemand aufhielt. „Alle rufen jetzt ihre Bischöfe und Pfarrer an und wollen nur noch eins – den Irak verlassen“, sagte ein Mitarbeiter der vatikanischen Nuntiatur in Bagdad. Wie er weiter berichtete, hätten alle angegriffenen Familien Drohbriefe vor ihrer Türe gefunden mit der Aufforderung, ihre Häuser sofort zu verlassen. An jedes Kuvert sei eine Gewehrpatrone angeklebt gewesen. Nach seinen Angaben gehören die Opfer der chaldäischen, der syrisch-katholischen und syrisch-orthodoxen Kirche an. „Die Mordtaten richten sich gegen alle christlichen Kirchen, ohne jede Ausnahme“, sagte er.
Fotos von Ermordeten an der Tür
Erst vor zehn Tagen waren bei dem bisher schwersten Angriff von El-Kaida-Terroristen auf die christliche Minderheit in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad 58 Menschen getötet worden, darunter zwei Priester. In den Tagen danach hatten viele Gemeindemitglieder als Zeichen ihres Protestes Fotos der ermordeten Geistlichen Taher al-Qasboutros und Wassim Sabih an ihren Haustüren befestigt. Alle diese Familien erhielten in den letzten Tagen Drohungen islamischer Radikaler, die Fotos zu entfernen oder das Land zu verlassen.
„Was können wir tun? Sie jagen die Christen inzwischen in jedem Stadtviertel“ erklärte der chaldäische Kardinal Emmanuel III. „Wir können nur zu Gott beten, dass diese Leute mit dem Morden aufhören.“
Vorwürfe an die Sicherheitskräfte
Der christliche Parlamentsabgeordnete Yonadam Yousef Kanna kritisierte den mangelhaften Schutz seiner Mitgläubigen durch den Staat. Die Anschläge offenbarten „starke Schwächen in Struktur und Arbeit der irakischen Sicherheitskräfte“, sagte er.
Auch Kirchenvertreter in Deutschland forderten ein Ende der Gewalt gegen Christen im Irak. Der Essener Weihbischof Franz Vorrath sprach am Mittwoch von einer „abscheulichen Tat“. In einem Brief an die in Essen beheimatete chaldäisch-katholische Gemeinde bekundete er sein Mitgefühl und seine Verbundenheit mit den Christen im Irak.
Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zeigte sich bestürzt über die jüngsten Anschläge. „Wir müssen damit rechnen, dass die Gewalt irakische Christen weiter aus dem Land treibt“, sagte ein Sprecher.