Dortmund. .
Der Drahtzieher einer Schieberbande von geschützten Arten steht in Dortmund vor Gericht. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft.
In dieser Geschichte geht es um Schildkröten, Salamander, Laubfrösche, Steuerhinterziehung, eine international tätige Schieberbande und die Reptilienmesse „Terraristika“ in Hamm. Ein Sumpf, in dem viel Platz für kriminelle Aktivitäten ist.
Die Staatsanwaltschaft in Nordrhein-Westfalen will diesen Sumpf trockenlegen. Mit Stefan R. wurde vor wenigen Wochen eine zentrale Figur der eben genannten Schieberbande vor dem Amtsgericht Dortmund angeklagt, dutzende illegal gefangene Tiere verkauft zu haben. Ihm droht bei einem Schuldspruch eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Der Prozess beginnt am Donnerstag (11.11.2010).
„Systematisch die europäischen Feuchtgebiete geplündert“
Die Ermittlungen dauerten mehr als zwei Jahre. Ein Beamter sagte der WAZ: „Stefan R. hat systematisch die europäischen Feuchtgebiete plündern lassen.“ Geschützte Arten wurden aus Sardinien, aus Südfrankreich aber auch Ländern wie Mecklenburg-Vorpommern herangebracht, um sie meistbietend zu verscherbeln. Seine Kunden fand Stefan R. dabei nach Erkenntnissen der Ermittler über das Internet oder im Umfeld der europaweit bekannten Verkaufsmesse Terraristika, wo er regelmäßig seine Tiere verkaufte.
Die Helfer von Stefan R. kamen aus ganz Deutschland. Einer wurde bereits vor wenigen Monaten zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Ein weiteres Verfahren läuft derzeit bei der Staatsanwaltschaft Schwerin. Gegen den Vater von Stefan R. wird ebenfalls ermittelt.
Genehmigungen gefälscht
Eigentlich ist der Handel mit den geschützten Arten in Europa und auch in Deutschland streng reglementiert. Frei lebende Tiere dürfen nicht gefangen werden. Reptilien, die in Gefangenschaft aufgewachsen sind, dürfen nur mit besonderen Nachweisen und behördlichen Genehmigungen verkauft werden. Und genau hier setzte Stefan R. an. Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft hat Stefan R. Genehmigungen gefälscht oder sich Papiere unter Angabe falscher Daten bei der zuständigen unteren Landschaftsbehörde in Hamm besorgt. „Es gab ein fürchterliches Vollzugsdefizit im Amt“, sagte ein Ermittler. „Trotz der falschen Daten ist Stefan R. der illegale Handel leicht gemacht worden.“ Diverse Anzeigen von Artenschützern versandeten in Hamm. Kontrollen vor Ort seien mangelhaft ausgeführt worden.
Mehr Kontrollen
Der Handel mit geschützten Reptilien ist in Europa streng reglementiert. Aus der Natur dürfen keine Tiere entnommen und weiter verkauft werden. Nach Ansicht von Artenschützern wie Pro Wildlife wird gerade im Umfeld der europaweit bekannten Tiermesse Terraristika regelmäßig gegen die EU-Auflagen verstoßen. „Wir fordern deshalb stärkere Kontrollen auf der Messe“, sagte Pro Wildlife-Sprecherin Sandra Altherr.
Stefan S. beschränkte sich nicht nur auf exotische Arten, sondern plünderte auch in NRW. So beteiligte er sich beispielsweise am Handel mit geschützten Laubfröschen aus einem Naturschutzgebiet bei Unna. Stefan R. besorgte hier Züchterbescheinigungen.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat sich Stefan R. ein regelrechtes illegales Gewerbe neben seinem Job als Versicherungsangestellter aufgebaut. Allein in den angeklagten 18 Einzeltaten erlöste er in den vergangenen zwei Jahren etliche tausend Euro. Darüber hinaus stellten die Ermittler Einnahmen aus dem Handel mit geschützten Arten in Höhe von weiteren zehntausenden Euro fest. Da das Geld bar in seine Tasche floss, wurde Stefan R. ebenfalls wegen Steuerhinterziehung verfolgt.
Die Behörden rechnen mit einem schnellen Urteil. Stefan R. ist geständig.