Bochum. .
Sezen Aksu ist Sängerin, Komponistin – und heiß geliebtes Idol für Generationen von Türken. Ihr Konzert in der Jahrhunderthalle versetzte ihre Fans in Ekstase.
Sie hätte noch stundenlang weitersingen können. Wir hätten an ihren Lippen gehangen. Und wären dann, genauso wie Dienstagabend in der Jahrhunderthalle nach zwei geschlagenen Stunden, zutiefst enttäuscht gewesen, dass es vorbei ist. Nein, sie darf noch nicht gehen, sie soll noch bleiben. Soll singen, scherzen, posen.
Sezen Aksu ist wie eine Droge. Man kann nicht genug bekommen von dieser Frau. Von diesen Liedern, die in die eigene Kindheit führen, in die Jugend und dann ins Hier, ins Jetzt, mitten ins Herz. Dieser Schmerz…wunderbar! Um das zu verstehen, muss man vermutlich einen Migrationshintergrund haben, am besten einen türkischen.
Eine Diva in Bochum
Der Saal tobt
Wie sie schon auf die Bühne kommt. Sie muss gar nichts machen. Ein Schritt nach vorn, ein Spot, der auf sie gerichtet ist. Schlichte blaue Robe, Glitzer im platinblonden Haar, ein Tuch, das sie im künstlichen Wind umweht. Das reicht. Der Saal tobt. Kreischt. Pfeift. Fotografiert.
Etwa 1500 Fans stehen mit einem Mal auf. Eine Diva kann man nicht im Sitzen begrüßen. Sezen Aksu weiß um ihre Aura, seit Jahrzehnten schon steht sie auf der Bühne und badet in Liebe. Sie genießt – und gibt zurück. „Ich bringe euch den Hauch der Heimat“, sagt sie. Sie weiß, wonach die meisten hier sich sehnen. Das erste Lied handelt vom Sommer, von einem so wunderschönen Sommer, wie man ihn nie wieder gesehen hat.
Geliebtes Istanbul
Die meisten ihrer Lieder handeln freilich nicht von Jahreszeiten, es geht: um die Liebe. So schnöde das klingt, so vielschichtig ist es, besonders, wenn man Sezen Aksu heißt und mit seiner Muttersprache so liebevoll umgehen kann. Wir lieben mit ihr, leiden, wenn sie leidet, hüpfen vor Freude, wenn sie es tut. Bis das Herz fast überläuft und das Gefühl so stark ist, dass es sich ausweitet, vom Geliebten übergeht auf einen Ort. Nicht irgendeinen natürlich, sondern Istanbul, die von den Türken kollektiv begehrte und gleichsam gefürchtete Metropole.
“Istanbul, mein Herz, komm lass mich deinen Hals küssen“. Wer schon einmal dort gewesen ist, in diesem Wunderland auf zwei Kontinenten, zerfließt vor Sehnsucht. Sezen Aksu entführt uns, nicht nur in ihr Heimatland, sondern ins Labyrinth der Gefühle. Das kann man kitschig finden. Oder einfach nur wundervoll. Begleitet wird die Sängerin, Komponistin und Entdeckerin von Stars wie Tarkan dabei von exzellenten Musikern. An Klavier, Cello, Klarinette und Schlagwerk vertonen sie die Geschichten, die die Lieder erzählen. Und über allem die Stimme von Sezen Aksu, wie zartbittre Schokolade.