Essen/Hannover. .

Der ZDF-Dauerbrenner hat das Prinzip Jugend für sich entdeckt: „Die jüngste ,Wetten, dass...?‘-Couch aller Zeiten“, so die Selbstaussage des Mainzer Senders. Doch besser wurde die Show durch diese Maßnahme nicht.

Essen / Hannover. „Wetten, dass...?“ ist praktisch der Birkenstock unter den deutschen TV-Sendungen: verlässlich, bequem, bekannt und ein wenig bieder. Doch ähnlich wie der Schuhwerkhersteller, bemüht sich auch der ZDF-Klassiker darum, ein bisschen Erotik zu verbreiten. Während Birkenstock sich dafür Heidi Klum bediente, die eine eigene, moderne Kollektion der gesunden Sandalen auf den Markt brachte, holte sich Thomas Gottschalk Michelle Hunziker als Co-Moderatorin in die Show. Die Schweizerin, die diesmal ein sehr kleines Schwarzes trug, sorgte zumindest für einen gewissen Glamour-Faktor. Der sonst so extrovertierte Gottschalk wirkte in seinem dunkelblauen Anzug ungewohnt konservativ. Doch da eine attraktive Blondine den ZDF-Bossen als Verjüngungskur anscheinend nicht reichte, wurden diesmal vornehmlich junge Gäste eingeladen.

„Jugend talkt“ mit Miley Cyrus

Auf der Gästecouch saßen über den Abend verteilt unter anderem Miley Cyrus (17) – vielen besser bekannt als Disney-Figur „Hannah Montana“ –, Eurovision Song Contest-Siegerin und Hannoveraner Lokalmatadorin Lena Meyer-Landrut (19) und Schauspieler Matthias Schweighöfer (29). Somit war diese Ausgabe von „Wetten, dass...?“ beinahe ein „Jugend talkt“. Da wirkten die Fantastischen Vier, die bei den meisten anderen „Wetten, dass...?“-Ausgaben wohl in den Jugendbereich gehört hätten, fast schon wie gesetzte Männer. Vom zweifachen Oscar-Gewinner Denzel Washington ganz zu schweigen.

Diese Verjüngungskur ist vermutlich auch der Konkurrenz durch die RTL-Show „Das Supertalent“ geschuldet, die dem Quotenrenner aus dem Hause ZDF viele junge Zuschauer abspenstig gemacht hat. Das Resultat dieser Mühen war aber durchwachsen: Alles in allem wirkte die Sendung sehr fahrig und bot kaum wirkliche Höhepunkte. So waren die Wetten diesmal sehr beliebig: vom schnellen Geldscheine-Zählen über das Rennen eines ferngesteuerten Modell-Buggys gegen einen BMX-Fahrer bis zum gezielten Weitspringen mit einer Motocross-Maschine mittels einer durch Muskelkraft eingestellten Rampe.

Lediglich zwei Wetten blieben dem Zuschauer etwas stärker im Gedächtnis: zum einen die des 15-jährigen Stefan Miedl, der acht Meter auf einem Basketball zurücklegte, ohne dass seine Füße den Boden berührten. Zum anderen die Wette von Kandidat Andreas Malzan, der Kakteenarten mit seiner Zunge „erschlecken“ konnte, darunter den Brustwarzenkaktus. Dies sorgte erwartungsgemäß für die leicht verschämten Lacher des Saalpublikums, für die Zotenkönig Gottschalk bekannt ist. Mehrere Minuten lang war die Zunge des Kandidaten in Großaufnahme zu sehen, während er genüsslich an den Stammsukkulenten leckte. Hoffentlich haben nicht zu viele Zuschauer versucht, die Wetten zuhause nachzustellen ....

Wettkönig: 994 Kerzen in zwei Minuten ausgepustet

Wettkönig des Abends wurde der 74-jährige Nico Haddad, der binnen zwei Minuten 1.000 Kerzen auspusten wollte. Nach 120 Sekunden fehlten ihm sechs Kerzen zum Sieg, sodass er seine Wette verlor. Dennoch wurde er mit 32 Prozent der Stimmen zum Sieger gewählt und sorgte zugleich dafür, dass sich Michelle Hunziker in der nächsten Sendung von der bekannten Tattoo-Künstlerin Kat von D ein neues Motiv stechen lassen muss.

Zum eher dahin plätschernden Abend passten auch die musikalischen Eckpunkte der Show: War der Auftritt von den „Fantastischen Vier“ mit „Danke“ noch gut inszeniert – Thomas D., Michi Beck und Smudo schwebten in weißen Jacketts samt Engelsflügeln nacheinander von der Hallendecke –, so vermochte das Teenie-Idol Miley Cyrus mit ihrem Lied „Who Owns My Heart“ nicht zu überzeugen. Tänzerisch zwar sehr professionell, war die stimmliche Leistung der 17-Jährigen jedoch ebenso überschaubar wie ihre gelangweilt wirkenden Antworten auf Gottschalks Standardfragen. Alles sei irgendwie toll und ihre Fans seien ohnehin das Wichtigste für sie. Peinlich: Die 17-Jährige, deren Vermögen auf etwa eine Milliarde Dollar geschätzt wird, eilte noch während der Show davon zum Flieger nach Hause. Auf der Couch ließ sie Fangeschenke mit Herzchen achtlos liegen.

Die Allgemeinplätze des US-Sternchen weckten weckten aber immerhin die bis dahin auch seltsam leblose Lena Meyer-Landrut auf, die sich einige Spitzen gegen die US-Sängerin nicht verkneifen konnte.

Den Auftritt des Abends hatte dien drei Männer der „Blue Man Group“, die eine Bühnenshow aus Percussion-Elementen und Kunst darboten. Einer von ihnen „erbrach“ vor den Augen der Gäste eine Art Turm aus gummi-artigen Bällen, die er vorher mit seinem Mund aufgefangen hatte. Dies sorgte nicht nur bei den Prominenten für Verwunderung, auch das Publikum wusste anscheinend nicht so recht, was es von der Darbietung halten sollte. Da war den Hannoveranern der solide Auftritt von James Blunt mit seinem neuen Lied „Stay the Night“ doch lieber.

Wie eine leicht verunglückte Generalprobe

Lediglich in wenigen Augenblicken lief diese Ausgabe von „Wetten, dass...?“ zur alten Stärke auf, besonders in den Momenten, in welchen Gottschalk zur Selbstironie griff: „14 Millionen Zuschauer bei deinem letzten Boxkampf? Ich erinnere mich noch an das Gefühl“, so Gottschalk zu Vitali Klitschko und spielte auf die zuletzt schwächelnden Einschaltquoten an. Insgesamt waren Klitschko und seine Frau Natalia die sympathischsten Gäste der Sendung, inklusive eines gelungenen gesanglichen Auftritts von Klitschkos Ehefrau. Auch Michelle Hunzikers „Assistent“ Atze Schröder hatte ein paar Höhepunkte, beispielsweise als er Lothar Matthäus als potentiellen neuen Freund für Miley Cyrus vorschlug. Insgesamt aber blieb die Sendung zu viel Stückwerk, wie eine leicht verunglückte Generalprobe.

Doch bereits in vier Wochen, am 4. Dezember, kann in Düsseldorf dann hoffentlich Wiedergutmachung betrieben werden: Mit „Take That“ – in Vollbesetzung mit Robbie Williams – und Justin Bieber – ein noch größeres Teenie-Idol als Miley Cyrus – werden Gäste erwartet, die zweifelsohne für zahlreiche kreischende Mädchen sorgen werden.

Ob's hilft? Gottschalk hat das fünfte direkte Duell gegen Dieter Bohlen knapp für sich entschieden. 8,40 Millionen Zuschauer schalteten am Samstagabend "Wetten, dass…?" ein. Bohlen und seine freakigen "Supertalente" brachten es bei RTL auf 7,74 Millionen. So eng lagen konventionelle Samstagabendunterhaltung und das Vorführen von Menschen mit Blamage-Sehnsucht auf der Quotenskala noch nie beieinander. Bei den jüngeren Zuschauern zwischen 14 und 49 Jahren erreichte "Das Supertalent" einen Marktanteil von 34,8 Prozent, mit 22,6 Prozent musste sich Gottschalk hier klar geschlagen geben.