Dortmund..

Jeden dritten Tag entdecken Wissenschaftler eine neue Tierart am Amazonas. Seit 1999 forschen dort Wissenschaftler im Auftrag des WWF.

Knallrote Flammen zieren seinen Kopf, der Körper funkelt in einem blauen Leopardenmuster: Ranitomeya amazonica haben die Wissenschaftler diesen bisher unbekannten Frosch getauft. Er ist einer von 1200 Tieren, die südamerikanische Wissenschaftler in den letzten zehn Jahren am Amazonas entdeckt haben.

„Das bedeutet durchschnittlich eine neu entdeckte Art alle drei Tage“, sagt Roberto Maldonado, Amazonas-Experte beim WWF-Deutschland. Im Auftrag des WWF haben die Wissenschaftler seit 1999 insgesamt 637 neue Pflanzen, 257 Fische, 216 Amphibien, 55 Reptilien, 16 Vögel und 39 Säugetiere entdeckt. Die Tierzählung haben Wissenschaftler jetzt in einer Studie zusammengefasst, die gestern auf der Artenschutzkonferenz im japanischen Nagoya vorgestellt wurde.

Laotische Felsenratte

Bei der Suche nach unbekannten Geschöpfen haben die Wissenschaftler vornehmlich unzugängliche Regionen im Regenwald durchstreift. Die Tiere werden mit Netzen und Käschern gefangen, ihre DNA wird untersucht, um sicher zu gehen, dass es sich um eine neue Art handelt. Zuweilen, so berichtet Roland Gramling vom WWF, finden die Experten neue Arten aber auch an überraschenden Orten. 2005 zum Beispiel. Am zweiten Hotspot dieser Welt, in Südostasien. Eigentlich war man überzeugt, dass die Laotische Felsenratte seit elf Millionen Jahren ausgestorben ist. Bis Wissenschaftler auf dem Markt in Khammouan den grauen Nager vor der Verarbeitung zu mundgerechten Häppchen am Grill entdeckten. „Es passiert immer wieder, dass Einheimische die Tiere kennen, die Wissenschaftler dieser Welt aber nicht“, sagt Gramling.

Ein Flussdelfin und eine Anaconda

„Die Anzahl der neu entdeckten Arten im Amazonas übersteigt die Gesamtzahl aller neu entdeckten Spezies aus ähnlichen Brennpunkten der biologischen Vielfalt wie Borneo, dem Kongobecken und dem östlichen Himalaya in einem vergleichbaren Zeitraum“, erläutert Maldonado. Außerdem sei außergewöhnlich an der Entdeckungsreise zum Amazonas, dass neue Säugetiere beschrieben werden konnten. Zu den Tieren gehören unter anderem eine neue Flussdelfinart, die erste neue Anaconda-Schlange seit 1936 und ein glatzköpfiger, aber dennoch recht farbenprächtiger Papagei. „Das ist einerseits faszinierend, weil es zeigt, wieviel unerforschtes Leben im und am Amazonas vorhanden ist; andererseits aber auch alarmierend, weil viele weitere unentdeckte Arten auszusterben drohen, bevor sie entdeckt werden“, sagt Maldonado.

Als Hauptursache für das Artensterben benennt Maldonado den Menschen. Das Amazonasgebiet ist nach WWF-Angaben das größte zusammenhängende Regenwaldgebiet der Erde. In den letzten 50 Jahren seien 17 Prozent der Amazonasfläche zerstört worden. Die Hauptgründe dafür seien die global zunehmende Nachfrage nach Fleisch, Biokraftstoff und Soja. Da die Tiere – auch die jetzt entdeckten – in sehr begrenzten, kleinen Regionen leben, muss man davon ausgehen, dass viele kleine Ökosysteme bereits ausgerottet wurden. „Die Aussterberate liegt in Rodungsgebieten etwa 100 Prozent höher“, sagt Gramling.