Essen..

Führende Zeitungsmanager warnen beim Kongress in Essen: Das kostenlose Internet-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen Sender sei ein fundamentaler Angriff auf die Zukunft der Verlage.

Führende Vertreter deutscher Zeitungen sehen im kostenlose Internet-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen Sender einen fundamentalen Angriff auf ihre Zukunft. „Das ist eine Wettbewerbsverzerrung, eine Zerstörung unserer Geschäftsmodells”, warf Springer-Vorstandschef Matthias Döpfner dem ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust beim Kongress des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger am Montag in Essen vor.

Springer-Vorstand Mathias Döpfner
Springer-Vorstand Mathias Döpfner © Unbekannt | Unbekannt





Döpfner und FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher betonten bei einer Podiumsdiskussion, dass die Sender mit sieben Milliarden Euro Gebühren abgesichert seien und kritisierten Boudgousts Ankündigung eines kostenlosen Tagesschau-Angebots für I-Pads und I-Phones. „Das”, so Döpfner, „ist schlimmer, als wenn Sie uns eine Gratiszeitung der ARD angekündigt hätten.” Das Online-Angebot eines „systemisch bevorzugten Mitbewerbers” müsse kostenpflichtig sein.

„Finanzierbare freie Presse“ in Gefahr?

Schirrmacher sieht gar „eine finanzierbare freie Presse” in Gefahr. Wenn die Printmedien schwach würden, sei die Gefahr der Einflussnahme groß. Die Tagesschau biete mittlerweile eine regelrechte Zeitung an. „Fünfmal am Abend werde ich auf das Internetangebot des Fernsehens hingewiesen und finde da komplette Dossiers und keineswegs nur bewegte Bilder”, monierte Schirrmacher. Bei einer Fußball-Weltmeisterschaft seien früher nur die Kameramänner aufgetaucht. „Jetzt kommt ein Blog dazu und eine Reportage -- das ist längst ein geschlossenes System”, führte er aus.

Boudgoust wehrte sich und entgegnete, man habe einen gesellschaftlichen Auftrag zur Meinungsbildung. „Und den nehmen wir im einundzwanzigsten Jahrhundert natürlich auch über das Internet wahr.” Das Internet sei nicht die Fortschreibung der Zeitung, sondern des Rundfunks, behauptete er. Bild und Text gehörten zusammen, die Debatte nehme mittlerweile „hysterische Züge” an.

Vorwurf der „rückwärtsgewandten Diskussion“

Max Stadler, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, mochte nicht zwischen die Fronten geraten, fragte aber vorsichtig nach, was denn heute alles zur Grundversorgung gehöre. „Das Prinzip”, fügte er hinzu, ohne eine Antwort abzuwarten „setzt zumindest quantitative Grenzen.” Zur Grundversorgung, warf Döpfner ein, gehöre „auf jeden Fall auch die Vielfalt der Zeitungen”.

ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust.
ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust. © imago stock&people | imago stock&people





Boudgoust war bemüht, die Internet-Mengen und ihren Einfluss zu relativieren. Gutachten hätten gezeigt, dass „Tagesschau.de” mit einem Marktanteil von 3,7 Prozent keine Gefahr für den Wettbewerb bedeuten könne. „Sie haben keine Beweise für Ihre Behauptungen. Ihr Erfolg”, sagte Boudgoust zu den Zeitungsmachern, „hängt nicht von uns ab, sondern davon, ob Sie neue, vielversprechende Geschäftsmodelle finden.” Statt eine „rückwärts gewandte Diskussion zu führen”, sollte man sich lieber die erfolgreichen Spieler im Netz ansehen, wie Google, Yahoo oder Facebook. „Die nehmen auch kein Geld, verdienen aber welches.”

Schirrmacher reagierte erbost: „Ich glaube nicht, dass wir uns von den Öffentlich-Rechtlichen sagen lassen müssen, wir wären zu doof, um im Internet Geld zu verdienen.” Er kenne auf der Welt keinen Verlag, der im Internet Geld verdiene. „Es können nicht alle zu blöd sein, das ist ein systemisches Problem.” Er kenne bisher weltweit kein tragfähiges Modell. „Die Gratiskultur hat bislang nur dazu geführt, dass Riesen wie Google die Arbeit aller, nicht nur der Journalisten, ausbeuten und für sich Gewinn bringend vermarkten.” In dieser schwierigen Lage sei das Angebot der Öffentlich-Rechtlichen „eine echte Bedrohung.”

Neue Begeisterung in einer „frustrierten Branche“

Gleichwohl sehen auch er und Döpfner in neuen technischen Möglichkeiten wie dem I-Pad neue Chancen. „Da wächst eine neue Gerätekategorie heran mit verlässlichen Abrechnungsmechanismen”, sagte Döpfner. Man müsse viel ausprobieren und dürfe die Kanäle der Informationsvermittlung nicht gegeneinander stellen. „Unser Geschäft ist Journalismus, und die Zeitung auf Papier wird es viel länger geben, als manche jetzt glauben.”

„Ich bin sehr froh, dass in einer zuletzt doch frustrierten Branche wieder Begeisterung spürbar ist.” Angesichts der Internet-Revolution seien die Auflagen der Zeitungen „nur wenig gesunken”. Das Interesse an der Information sei immer noch da, und sie müsse keineswegs immer kostenlos vermittelt werden.

Dem schloss sich auch Mercedes Bunz an, Online-Redakteurin des Londoner „Guardian”. „Die Leute werden durchaus bereit sein, für Dinge im Netz zu bezahlen”, sagte sie. Aber noch würden die Verlage zu sehr darauf setzen, dass es sich dabei um die schnelle Nachricht handeln müsste. „Im Moment”, fügte sie hinzu, „machen noch alle das selbe.”

Für die Freunde der Zeitung hatte Schirrmacher vielleicht den besten Trost parat: „In dieser schnellen, digitalisierten Welt wird das Papier therapeutische Qualität haben.”