Mainz. .

Der große Erfolg bei aktuellen Umfragen ist den Grünen selbst nicht geheuer. Bei ihrer Klausurtagung in Mainz mühten sie sich um Bodenhaftung sachliche Diskussionen.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin blickt bitterernst drein und spricht noch langsamer als sonst. Viele Menschen sehnten sich nach einer Alternative zum „schwarz-gelben Murks“ und „schwarz-gelber Klientelpolitik“, begründet er die Rekordumfragewerte seiner Partei. Dabei bemüht sich Trittin, ja keinen Funken Zufriedenheit zu versprühen.

Bloß nicht abheben, lautet die oberste Grünen-Pflicht bei der Fraktionsklausur in Mainz, auf der es eigentlich um Sachpolitik gehen soll. Der Höhenflug in der Wählergunst steht nicht auf der Tagesordnung. Dennoch ist das Thema dauerpräsent angesichts der aktuellen Umfragen: Im Bund kommt die einstige Anti-Parteienpartei auf 21 Prozent, in Schleswig-Holstein auf 19 und in Berlin auf 28 Prozent. Selbst das rabenschwarze Baden-Württemberg grünt wie nie: Auf 27 Prozent ist die Ökopartei empor geschnellt.

Das Hoch in der Wählergunst bereitet den Grünen zunehmend Sorgen. Stimmungen sind nicht Stimmen, warnt die Parteispitze. Sollte es aber zu einem „grün-roten“ Bündnis auf Landesebene kommen, wäre dies etwas völlig Neues. Dann gäbe es keinen großen Koalitionspartner mehr, hinter dem sich die Partei verstecken könnte. Diesen Druck spürt die Grünen-Spitze.

Einige Fraktionsmitglieder stellen die Frage, woher die Grünen das Personal bei guten Wahlergebnissen nehmen, um alle Positionen zu besetzen. „Höhere Umfragewerte be­deuten auch mehr Verantwortung“, sagt Fraktionsvize Bärbel Höhn. Dies sei bei manchem in der Fraktion noch nicht so ganz angekommen.

Mehr Verantwortung

Hinter vorgehaltener Hand klingt bei anderen mehr Skepsis durch. „Nun müssen wir noch mehr Verantwortung für alle Bereiche tragen“, sagt Fraktionschefin Renate Kü­nast. Auch deswegen gibt es unter der Leitung von Fraktionsvize Fritz Kuhn seit Frühjahr die Arbeitgruppe „Ehrlich machen“.

„Wir müssen absichern, dass unsere Konzept zusammenpassen“, sagt Kuhn. „Nicht alles, was wir wollen, ist so auch umsetzbar“, ergänzt die stellvertretende Fraktionschefin Ekin Deligöz. Bei der Bildung könne die Partei nicht nur immer mehr Geld fordern. Sie müsse auch sagen, wo es herkomme. Wo stehen wir, wo wollen wir hin – um diese Fragen debattieren die Fraktionsmitglieder in Mainz hinter verschlossenen Türen in wechselnden Kleingruppen. Es geht um Haushaltspolitik und die Rolle von Frauen in der Wirtschaft. Anschließend fordert Trittin die befristete Abgabe auf große Vermögen und den Abbau von „unsinnigen“ Steuersubventionen.

Co-Chefin Künast will ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft – mit Frauenquote in Aufsichtsräten. Politikverdrossenheit spielt auch eine Rolle. Doch anstatt am Ende Ergebnisse zu präsentieren, knöpft sich die Fraktionsspitze „aus aktuellem Anlass“ erst mal den geplanten Atomvertrag der Kanzlerin mit den Energieriesen vor. „Jetzt ist klar: die Regierung hat einen schmutzigen Atomdeal mit den vier Konzernen geschlossen“, wettert Künast. Trittin geißelt die „Geheimabsprachen“ zwischen Merkel mit RWE und Co.

Eigenes Energiekonzept

Die Laufzeitenverlängerung ist das zweite große Thema der Klausur. Dazu verabschieden die Grünen ein Energiekonzept – als Gegenentwurf zum Szenario der Bundesregierung. Damit bereitet sich die Partei auf einen heißen Herbst im Kampf gegen die Laufzeitverlängerung vor und kann klare Kante beweisen.

Gerade wegen der hohen Umfragewerten ist dies den Fraktionsmitgliedern wichtig. „Wir dürfen der Gefahr nicht erliegen, in Zukunft unsere Programme zu verwässern, um für breitere Schichten wählbar zu sein“, fürchtet die Chefin der Grünen Jugend, Gesine Agena, um das Profil der Grünen. Auch Höhn warnt davor, dass sich die Partei zu breit aufstellt. Die Grünen dürften es nicht allen Gruppen recht machen – und damit beliebig werden.