Düsseldorf. .
NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) macht vor allem Heimleiter für Missstände in der Pflege verantwortlich. Es gebe in NRW „sehr gute bis katastrophal schlechte Einrichtungen“, sagte sie der WAZ.
Barbara Steffens blickt aus ihrem Ministerbüro auf ein Rheinidyll – und redet über alte, wund gelegene Menschen, die an die Decke starren müssen. Als grüne Oppositionspolitikerin hat sie jahrelang die „dramatische Pflegemisere“ kritisiert und tut es noch. Nun liegt es an ihr, daran etwas zu ändern. Im Gespräch mit dieser WR Zeitung erläuterte die Landesministerin für Gesundheit und Pflege, wie sie gegen Personalmangel und Missstände vorgehen will.
Da die Finanzierung der Pflege Sache des Bundes ist, setzt Steffens ihre Hebel ganz unten und ganz oben an: Sie möchte wieder für mehr Ausbildungsplätze sorgen und die Leiter von Heimen mit gravierenden Mängeln in die Fortbildung schicken.
Ausbildungsumlage
Laut dem Landesbericht Gesundheitsberufe 2010 fehlen allein in diesem Jahr 1200 Ausbildungsplätze. Dafür verantwortlich ist laut Steffens unter anderem ein Abbau der vom Land geförderten Plätze in den vergangenen Jahren. Die neue Ministerin plant nun eine Rückkehr zum alten System – sie lässt prüfen, ob alle Träger, insbesondere auch die ambulanten, wieder zu einer Ausbildungsumlage verpflichtet werden können.
Derzeit finanziert das Land die schulische Ausbildung, die Träger zahlen den praktischen Teil. Vor allem ambulante Dienste bildeten kaum aus, weil sie die Kosten scheuen. Das will Steffens ändern: „Wenn alle Träger die Umlage zahlen müssten, hätten sie auch wieder ein Eigeninteresse daran, selbst auszubilden”.
Momentan bildeten die Heime den Nachwuchs für die ambulanten Dienste mit aus. Das sei nicht nur ungerecht, sondern auch der Grund für die „absolut krisenhafte Situation in der Pflegeausbildung”. Von den rund 8600 geförderten Schulplätzen seien 2009 viele gar nicht besetzt worden, weil die dazugehörenden Praxisplätze fehlten.
Das nächste Problem sieht Steffens durch einen Kurswechsel in der Förderung der Pflegeausbildung von Arbeitslosen: „Wenn die Bundesagentur ab 2011 die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft nicht mehr fördert, bekommen wir massive Probleme. Das können wir mit Landesmitteln nicht kompensieren.” Die von der Großen Koalition eingeführte Förderung läuft aus. Nach Plänen der schwarz-gelben Regierung soll künftig nur noch die zweijährige Ausbildung zum Pflegehelfer gefördert werden. „Das bringt nichts. Pflegehelfer dürfen kaum mehr tun als ungelernte Aushilfen. Wir brauchen mehr Fachkräfte.”
Eine Hauptursache für die Missstände in Pflegeheimen, zuletzt in Mönchengladbach mit tödlichen Folgen, sieht Steffens in der Führungsebene. Sie beklagt, dass es in NRW „eine Riesenspanne von sehr guten bis hin zu katastrophal schlechten Einrichtungen” gebe. Das sei zuallererst ein Führungsproblem. „Jeder kann Heimleiter werden, auch ohne Erfahrung mit Pflegeberufen. Dadurch kommen immer mehr reine Kaufleute ohne Empathie für die zu pflegenden Menschen und die Beschäftigten in Leitungspositionen.” Die Unterschiede seien gravierend: „Gut geführte Heime haben kaum Mitarbeiterfluktuation und kommen ohne Leiharbeit aus. Dagegen verlieren schlecht geführte Häuser gute Stammkräfte und müssen das mit Leiharbeitern ausgleichen.“
Steffens will einen Automatismus einführen, nach dem sie von der Heimaufsicht und dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) Rückmeldungen über Missstände in Pflegeheimen erhält und dann an deren Leiter herantritt. „Die Mitarbeiter leisten doch gerade in problematischen Einrichtungen, was sie nur können. Deshalb will ich ein verpflichtendes Coaching für Führungskräfte einführen, wenn Mängel in den Einrichtungen entdeckt werden.” Vieles sei eine Frage der Organisation. So liege es an der Heimleitung, gute Kräfte zu halten, indem man etwa auf Teilzeitwünsche eingeht und den Dienstplan an den Mitarbeitern ausrichtet statt umgekehrt. Die Leiter sollten von jenen Kollegen lernen, die ihre Heime am besten führen.
Kritik an struktureller Leiharbeit
Leiharbeit in der stationären Pflege hält Steffens für problematisch, vor allem im Umgang mit dementen Menschen. Leiharbeit, wie sie etwa die Diakonie und die AWO mit eigenen Firmen organisieren, sei nur zum Ausgleich von Krankheitsausfällen sinnvoll. „Die Frage ist, ob Einrichtungen ihr Personalproblem lösen wollen oder ob sie systematisch Leiharbeiter einsetzen. Strukturelle Leiharbeit ist in der Pflege völlig verfehlt.” Wenn gar Stammpersonal in die Leihfirma gedrängt werde, etwa weil es auf Teilzeit gehen will, „dann geht das gar nicht”.