Berlin..

Vergewaltiger haben in Deutschland offenbar wenig zu befürchten. Im Durchschnitt werden nur 13 Prozent der Angeklagten auch verurteilt. Das beklagen die Frauenberatungsstellen in Deutschland. Sie sprechen von einer „Gerechtigkeitslücke“.

Frauenberatungsstellen beklagen eine große Kluft zwischen den Zahlen angezeigter Vergewaltigungen und der von verurteilten Tätern. Wie aus einer europäischen Vergleichsstudie der London-Metropolitan University hervorgeht, sind bei 100 zwischen 2001 und 2006 angezeigten Vergewaltigungen in Deutschland im Durchschnitt in 13 Fällen die angeklagten Männer verurteilt worden. Die Verfahren werden am häufigsten wegen unzureichender Beweislage oder mangelnder Kooperation der betroffenen Frauen eingestellt. Darauf wurde am Donnerstag auf einem internationalen Kongress des Bundesverbandes der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) in Berlin hingewiesen, auf dem mehr als 200 Experten von Hilfseinrichtungen, Polizei, Justiz und aus der Wissenschaft über Verbesserungen für Vergewaltigungsopfer diskutierten.

Die Leiterin der bff-Geschäftsstelle des Bundesverbandes, Katja Grieger, bezeichnete die Diskrepanz bei der Verfolgung der Straftäter als „Gerechtigkeitslücke“. Dies habe auch auf das Anzeigeverhalten Auswirkung. Denn jede siebte Frau in Deutschland werde einmal in ihrem Leben Opfer einer Vergewaltigung oder von schwerer sexueller Nötigung, aber nicht mal fünf Prozent zeigten die Tat an. Laut der Statistik wurden jährlich zwischen 2001 und 2006 etwa 8000 Vergewaltigungen bei der Polizei gemeldet. Damit kommen der Studie zufolge bundesweit 9,85 angezeigte Vergewaltigungen auf 100.000 Einwohnerinnen. Damit liege Deutschland im unteren Mitteldeld im Vergleich der elf europäischen Länder. Schwedens Meldequote sei beispielsweise vier Mal höher. In dem nordischen Land werden demnach pro Jahr 46,4 dieser Übergriffe auf diese Bezugsgröße angezeigt.


„Nur drei Prozent“ falsche Beschuldigungen

Eine psychische Beeinträchtigung des Opfers wirke sich dabei, so die Studie, negativ auf die Chance einer Bestrafung des Täters aus. „Das ist deshalb besonders ungerecht, weil solche Beeinträchtigungen oft gerade die Folge der Vergewaltigung sind“, sagte Grieger. Zudem sei die Situation für Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigten, in jüngster Vergangenheit schwieriger geworden. Laut bff steht in der öffentlichen Wahrnehmung häufig der Verdacht einer falschen Beschuldigung im Raum. Dabei liege die Quote hierfür „in der Realität allerdings nur bei drei Prozent“.

Bei der Hälfte der Frauen, die sexuelle Gewalt erlebten haben, sind nach bff-Angaben die Täter die derzeitigen oder früheren Partner. Deshalb hätten in 69 Prozent der Fälle die Opfer als Tatort die eigene Wohnung angegeben. Demgegenüber wurden öffentliche Orte wie Straßen oder Parks, die oft als typische „Angstorte“ gelten, mit 20 Prozent deutlich seltener genannt. 47 Prozent der Betroffenen sprachen den Untersuchungen zufolge mit niemandem über das Erlebte. Dieser Anteil sei noch höher gewesen, wenn der Täter der jetzige oder frühere Partner war.

Der bff-Bundesverband forderte, ein Vergewaltigungsverfahren sollte für die Opfer eine „kalkulierbare Erfahrung von Gerechtigkeit und öffentlicher Anerkennung ihres Leidens sein“. Dafür sei es wichtig, dass alle am Verfahren Beteiligten eine spezifische Aus- und Fortbildung zum Thema Sexualdelikte und Umgang mit traumatisierten Opfern hätten. Zudem plädiert der bff für eine professionelle psychosoziale Prozessbegleitung der Opfer wie sie bislang in Europa einzigartig in Österreich bestehe. (ddp)