Essen/Duisburg. .

Immer mehr deutsche Unternehmen setzen auf Werbung in der Muttersprache der Migranten. Die Deutsche Bank beschäftigt zudem an 56 Standorten über 100 türkischstämmige Finanzberater. Ein Offenbarungseid bei der Integration?

Seit Yunus Özer ein Werbeplakat in türkischer Sprache vor seinem Internet-Café in Duisburg-Marxloh aufgestellt hat, läuft das Geschäft mit Handyverträgen noch besser als vorher. „Ay Yildiz“ – „Mond und Sterne“ – heißt die Mobilfunkmarke, die Özer in seinem Sortiment hat. Mond und Stern befinden sich auch auf der türkischen Nationalflagge. Hinter „Ay Yildiz“ verbirgt sich allerdings der Düsseldorfer Mobilfunkriese E-Plus.

Zunehmend setzen deutsche Unternehmen auf Werbung in der Muttersprache von Migranten. Die Deutsche Bank spricht türkisch, ebenso wie der Versicherungskonzern Allianz, der Autobauer Volkswagen oder der Energieversorger Eon. „Ethno-Marketing“ nennt die Werbebranche diese Form der Kundenansprache.

Yildiray Cengiz gehört zu den Pionieren auf diesem Gebiet. Er war auch beteiligt, als E-Plus vor fünf Jahren als erster deutscher Mobilfunkanbieter die türkischsprachige Marke „Ay Yildiz“ einführte. Mit seiner Gelsenkirchener Werbeagentur Ekip-Integram hat sich der 42-Jährige auf Marketing rund um die 2,7 Millionen türkischstämmigen Verbraucher in Deutschland spezialisiert. „In dem Markt steckt ein enormes Potenzial“, sagt Yildiray Cengiz. Die jährliche Kaufkraft der deutsch-türkischen Haushalte beziffert er mit rund 18 Milliarden Euro.

Über 100 türkischstämmige Bankberater

Dem Beispiel von E-Plus sind mittlerweile zahlreiche Markenhersteller gefolgt. VW wirbt mit dem Slogan „Volkswagen Türkce konusuyor“ – „Volkswagen spricht türkisch“. Die Deutsche Bank versucht es mit „Bankamiz“ („Unsere Bank“). „Gerade bei Bankgeschäften spielen die sprachlich sichere Verständigung und das kulturelle Verständnis eine wichtige Rolle“, erläutert Unternehmenssprecher Mike Peter Schweitzer. An 56 Standorten beschäftige die Deutsche Bank über 100 türkischstämmige Finanzberater. Das Geschäftsmodell „Bankamiz“ sei „außerordentlich erfolgreich“.

Die Deutsche Telekom hat eigens eine Hotline für türkischsprachige Kunden eingerichtet. „Wir gehen mit gezielten Angeboten auf die Kundengruppe zu“, berichtet Unternehmenssprecher Marc Sausen. Als Beispiel nennt er eine spezielle Flatrate für Gespräche in die Türkei.

Auch der Energiekonzern Eon spricht mit seiner Marke „E wie einfach“ gezielt türkische Kunden an. So schaltet Eon unter anderem TV-Spots bei ausländischen Fernsehsendern, die hierzulande zu empfangen sind. Die Sprache ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen „Ethno-Marketing“. Nur selten lässt sich die deutsche Werbung einfach übersetzen. Es sei eine „kulturspezifische Bildersprache“ notwendig, sagt Mario Ghiai vom Versicherungsriesen Allianz. So taucht anstelle eines Sparschweins in der deutsch-türkischen Allianz-Werbung eine Schatztruhe auf, denn das Schwein gilt bei Moslems als unrein.

Werbeunternehmer Cengiz empfiehlt seinen Kunden auch Marketingaktionen, die sich am islamischen Kalender ori­entieren, etwa Sonderangebote zum Zuckerfest.

Es gibt auch Vorbehalte

Doch bei weitem nicht alle setzen auf „Ethno-Marketing“. Anders als bei Eon gibt es beim Essener Konkurrenten RWE keine türkischsprachige Werbung. Auch der Düsseldorfer Versicherer Ergo ist dem Beispiel des Marktführers Allianz bislang nicht gefolgt.

Werbeunternehmer Cengiz kennt die Vorbehalte gegen fremdsprachiges Marketing. Kommt es einem Offenbarungseid in Sachen Integration gleich, wenn deutsche Unternehmen bestimmte Kunden am besten auf Türkisch erreichen? Cengiz argumentiert: „Es kann nicht Aufgabe von Werbung sein, Integration herbeizuführen. Das muss in den Familien, in der Schule und in der Politik geschehen.“