Hannover. .

Ein Mann für alle Fälle: Mit Christian Wulff würde ein echter Politprofi ins Schloss Bellevue ziehen. Zwar betont er stets, er strebe keine neuen Ämter an - im Hintergrund hat er jedoch konkret darauf hingearbeitet.

Selbstzweifel sind Christian Wulffs Sache nie gewesen: Mit nur 34 Jahren traute er sich als politischer Nobody im Jahr 1994 die Spitzenkandidatur gegen den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) zu. Dass der Machtwechsel erst im dritten Anlauf klappte, entmutigte ihn nicht.

Als Ministerpräsident in Hannover gab er sich dann betont bescheiden. Ihm fehle „der unbedingte Wille zur Macht“, sagte er erst vor zwei Jahren. Dabei arbeitet der heute 50-Jährige seit zwei Jahrzehnten konsequent daran, sich für höhere Ämter zu empfehlen. Auch die mögliche Nominierung für das höchste deutsche Staatsamt wäre für den CDU-Politiker daher durchaus vorstellbar.

Ein Verzicht auf dem Weg zur Macht

Vor zwei Jahren sagte Wulff in einem Interview, er sei nun mal kein Alphatier, und wies damit Spekulationen zurück, er wolle Kanzler werden. Demonstrativ gab er nach der gewonnenen Landtagswahl in Niedersachsen 2008 sogar den CDU-Landesvorsitz ab und ließ dem damals erst 37-jährigen CDU-Fraktionschef David McAllister den Vortritt. Für alle Insider aber war klar, dass es nicht wirklich um Machtverzicht ging, sondern nur darum, der Macht in Berlin auf seinem eigenen Weg näher zu kommen.

Der Anfang seines Karrierewegs war dabei durchaus steinig: Nach der Niederlage 1994 kassierte er 1998 bei der Landtagswahl in Niedersachsen seine zweite Schlappe gegen Schröder, der daraufhin SPD-Kanzlerkandidat wurde. Erst 2003 schaffte er den Machtwechsel und gewann gegen SPD-Ministerpräsident Sigmar Gabriel. Aus dem manchmal verbiestert wirkenden Oppositionsführer machte der Sieg einen souveränen Regierungschef.

Die Wiederwahl Anfang 2008 war nicht zuletzt seinem sicheren Instinkt geschuldet. Selbst die Trennung von seiner langjährigen Ehefrau Christiane im Sommer 2006 ging Wulff offensiv an. Mit seiner Entscheidung für die Ehe mit der deutlich jüngeren Bettina Körner konnte er selbst in den ländlichen CDU-Stammlanden Osnabrück und Oldenburg bestehen. Aus dieser Ehe stammt der heute zweijährige Sohn Linus.

Seine 17-jährige Tochter Annalena aus erster Ehe trifft Wulff regelmäßig. Was Beziehungsbrüche für Familien bedeuten, weiß er nur zu gut: Sein Vater verließ die Familie, als Wulff kaum ein Jahr alt war, der Stiefvater ließ sich scheiden, als Wulff 14 Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt erkrankte die Mutter an Multipler Sklerose, Wulff übernahm Verantwortung für die Pflege und die Erziehung der jüngeren Schwester.

Als Landesvater allgegenwärtig

Auch als Landesvater scheint der gelernte Jurist allgegenwärtig. Die CDU und ihr Koalitionspartner FDP setzten in Niedersachsen konservative Duftmarken etwa durch das Festhalten am dreigliedrigen Schulsystem, und sie zeigten Härte gegenüber den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes bei den Tarifverhandlungen. Wulff lächelt viel und handelt unnachgiebig. Unauffällig, aber offenbar höchst effizient inszeniert er sich immer wieder auch bundespolitisch in seiner Rolle als Vize-Chef der CDU.

Ausgerechnet von seinem früheren Angstgegner Schröder hat sich Wulff viel abgeguckt. Wie Schröder holt er Problemthemen zuweilen dadurch vom Tisch, dass er Forderungen des politischen Gegners übernimmt. „Wackel-Wulff“ nennt ihn deshalb empört die Opposition.

Auch die spektakuläre Berufung der 37-jährigen türkisch-stämmigen Muslimin Aygül Özkan zur Sozialministerin in Hannover war wohl auch ein Coup, um bundesweit Aufmerksamkeit zu erlangen. Diese Berufung diente nebenbei dem Zweck, den vielleicht einzigen schwerwiegenden Fehler in der Selbstdarstellung auszubügeln: An Weihnachten 2009 flog Wulff mit Familie nach Florida, zahlte Economy, ließ sich aber von Air Berlin ohne Zuzahlung in der Businessklasse fliegen. Vor dem Landtag räumte Wulff später den Verstoß gegen das Ministergesetz unumwunden ein, zahlte knapp 3000 Euro nach. Der 50-Jährige suchte die Flucht nach vorne, gab alles zu, entschuldigte sich und schnell war die Affäre wieder vergessen. Nicht umsonst hat er den Spitznamen „Teflon-Wulff“. Andere Ministerpräsidenten hätte ein solcher Vorgang womöglich das Amt gekostet.

Aber künftig kümmern sich wohl andere um Wulffs Beförderung. (afp)