Horst Köhler war ein beliebter Bundespräsident. Nicht in der politischen Klasse Berlins, nicht bei Politikern, die ihn für unprofessionell hielten, nicht bei Hauptstadt-Journalisten, die ihm seine phasenweise Tapsigkeit ankreideten. Beliebt war Köhler im Volk. Und genau deswegen hätte er nicht zurücktreten dürfen.

Denn was wird es wohl sagen, das Volk? Wahrscheinlich dies: Da sieht man es mal wieder, anständige Menschen wie Köhler haben in diesem Politiker-Haifischbecken keine Chance. Es gibt diese Reflexe gegen die Parteien-Demokratie, und sie sind verbreitet. Gerade von einem Staatsoberhaupt muss man erwarten, dagegen anzukämpfen – zum Schutz der Demokratie. Vielleicht wird man darum sagen müssen, dass der Präsident aus sehr persönlichen Gründen einen Schaden für das Gemeinwesen riskiert.

Der eigentliche Rücktrittsgrund: Unterlassene Hilfeleistung

Was sind diese Gründe? Ganz sicher ist es nicht der Vorwurf, der Präsident habe im Zusammenhang mit Bundeswehr-Einsätzen quasi gegen das Grundgesetz argumentiert. Ganz sicher ist es auch nicht die Kritik an ihm, denn die kam lediglich aus der zweiten Reihe: Ein Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, ein Außenpolitiker der Union, ein Verfassungsrechtler. Und dann sollte Deutschlands Spitzenmann die Häme des „Spiegel“ ertragen können. Die Hamburger würdigten Köhler zu „Horst Lübke“ herab und gönnten sich die Erinnerung an den zweiten Bundespräsidenten, der bei einem Afrika-Besuch sagte: „Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger...“

Entscheidend für Köhlers Schritt war nicht Kritik, sondern unterlassene Hilfeleistung. Der Außenminister oder die Kanzlerin hätten Köhler sehr leicht helfen können. Sie hätten bloß sagen müssen, Köhler habe mit den wirtschaftlichen Interessen, die einen Bundeswehr-Einsatz auch begründen könnten, den Somalia-Einsatz gegen die Piraten gemeint. Allein, beide schwiegen. Ausgerechnet jene, die Köhler einst geholt hatten. Der Präsident, ein sehr empfindlicher Mensch, musste dies als Misstrauensvotum begreifen.

Merkel weiß selbst, dass man ihr nun den Vorwurf machen wird, gute, eckige, eigenständige Köpfe nicht halten zu können, im Gegenteil, zu vergrätzen. Nach Merz und Koch nun Köhler; sich in ihrem „Girls-Camp“, ergänzt nur um ihren Fraktionschef und ihren Kanzleramtsminister, einzumauern und gegen die Außenwelt abzuschotten.

Umso überzeugender und schneller muss sie den Nachfolger präsentieren. Jemanden, der öffentlich überzeugen kann, der sympathisch ist und erfahren. Und der, falls Merkel das überhaupt noch will, für Schwarz-Gelb steht. Mit anderen Worten: Gibt es überhaupt einen Köhler-Nachfolger, der nicht Christian Wulff heißt?