Verden. .

Ein 39-jähriger Chemiehändler muss sich seit Dienstag vor dem Landgericht Verden verantworten. Er soll sie den Terroristen der „Sauerlandgruppe“ bewusst Material zum Herstellen von Sprengstoff geliefert haben.

Rainer B. wollte eigentlich Chemie- und Physiklehrer werden. Weil er aber Geld brauchte, startete er stattdessen einen Online-Chemikalienshop und belieferte so auch die Mitglieder der terroristischen „Sauerlandgruppe“ mit 585 Kilogramm Wasserstoffperoxid. Seit Dienstag muss sich der 39 Jahre alte Chemikalienhändler aus Hodenhagen (Kreis Soltau-Fallingbostel) wegen Verstößen gegen das Sprengstoff- und Betäubungsmittelgesetz vor dem Landgericht Verden verantworten. Insgesamt werden ihm mehr als 200 Straftaten zur Last gelegt, die Verlesung der Anklageschrift dauerte beinahe eine Stunde.

Was seine Kunden mit den bei ihm bestellten Substanzen machen könnten, darüber will der Angeklagte in den meisten Fällen nicht intensiv nachgedacht haben, wie er vor Gericht sagt. Nach einem abgebrochenen Chemiestudium verfügt er allerdings über entsprechende Fachkenntnisse. Er verweist darauf, dass sich sein Shop im Laufe der Zeit zu einem florierenden Geschäft mit rund 3000 Kunden entwickelt habe, so dass der Arbeitsdruck enorm gewesen sei. Zudem „besteht die Welt ja nicht nur aus Bombenbauen und Drogenherstellen“, sagt B. Gleichwohl räumt er ein, dass er vor allem bei den ihn vorgeworfenen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz rückblickend zugeben müsse, dass er sich vielleicht etwas hätte denken können.

Angeklagter glaubte, die Kunden wären Gebäudereiniger

Anders sieht es bei seiner Lieferung an die „Sauerland-Gruppe“ aus. Dass die Gruppe möglicherweise mit der großen Menge Wasserstoffperoxid eine Bombe bauen wollte, kam für den Angeklagten nicht in Frage. Weil es sich bei Wasserstoffperoxid um ein „instabiles, unberechenbares Zeug“ handele, das in der Handhabung hoch gefährlich sei, war er sich sicher: „Sprengbares machen geht nicht.“

Er habe vielmehr angenommen, dass die Kunden eine Gebäudereinigungsfirma betrieben, bei der diese Substanz häufig in größeren Mengen verwendet werde, sagt B.. Auch zum Blondieren von Haaren oder bei der Bekämpfung von Schimmelpilzen komme Wasserstoffperoxid zum Einsatz. Nicht zuletzt deshalb habe es ihn „fassungslos“ gemacht, als er später von den wahren Absichten der „Sauerland-Gruppe“ erfuhr, sagt der Angeklagte.

Die vier jungen Männer waren im März 2010 zu Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt worden, weil sie nach Überzeugung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf im Auftrag der „Islamischen Dschihad Union“ (IJU) Anschläge auf US-Einrichtungen in Deutschland geplant hatten.

Für die ihm vorgeworfenen Vergehen muss der angeklagte Chemikalienhändler mit einer Freiheitsstrafe zwischen zwei Jahren und neun Monaten sowie drei Jahren und neun Monaten rechnen. Verteidigung, Staatsanwaltschaft und die Kammer einigten sich auf dieses Strafmaß unter der Bedingung, dass B. ein „glaubhaftes Geständnis“ ablege. Oberstaatsanwalt Hansjürgen Schulz war zuvor von einer Strafe zwischen drei und fünf Jahren ausgegangen.

Bevor der Urteilsspruch fällt, sollen noch Sachverständige und Zeugen gehört werden. Für den Prozess sind fünf weitere Verhandlungstage angesetzt. (ddp)