München. .
Zwei prominente Protestanten haben die katholische Sexualmoral kritisiert. Ex-Bischöfin Margot Käßmann nannte in einem katholischen Dom die Pille ein „Geschenk Gottes“. Präses Nikolaus Schneider wünscht der katholischen Kirche, dass sie das Dreieck aus Sexualität, Ehe und Kinderwunsch aufbricht.
Mit einem Plädoyer für die Anti-Baby-Pille provoziert die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann beim 2. Ökumenischen Kirchentag die Spitzenvertreter der Katholiken: Ausgerechnet im Liebfrauendom, der Münchner Bischofskirche, pries die 51-Jährige am Donnerstagabend laut Redemanuskript die Pille als „Geschenk Gottes“.
Jedes Jahr kämen mehr als 300 000 Frauen durch die Folgen von Schwangerschaft oder Geburt ums Leben. „Wer solches Elend von Müttern und Kindern verhindern will, wer den Segen des Gebärens nicht zum Fluch werden lassen will, wird für Geburtenkontrolle, für einen offenen Zugang zu Verhütungsmitteln eintreten“, betonte Käßmann. Die katholische Kirche lehnt künstliche Verhütungsmittel wie die Pille strikt ab.
Die Kirchen seien bei der Einführung der Pille vor 50 Jahren nicht begeistert gewesen, sagte die Ex-Bischöfin. Doch es gehe „um die Erhaltung von Leben, um Freiheit, die nicht gleich in Pornografie ausarten muss, so sehr die Sexualisierung unserer Gesellschaft natürlich ein Problem ist“. Es gehe um „Liebe ohne Angst“ und um verantwortliche Elternschaft. Käßmann mahnte zugleich, die Kirchen sollten auch die Entscheidung für ein Leben ohne Kinder „nicht immer gleich abwerten“.
Kritik von Präses Schneider
Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, hat beim 2. Ökumenischen Kirchentag ebenfalls die katholische Sexuallehre kritisiert. Mit Blick auf die Missbrauchsdebatte bezeichnete er die Sexualmoral als die „entscheidende Frage“. Im Gegensatz zur evangelischen Kirche sei bei den Katholiken die Sexualität mit der Ehe und dem Kinderwunsch fest verbunden. Er würde den Katholiken „von Herzen wünschen, dass sie dieses Dreieck aufbrechen“, betonte er.
Die evangelische Kirche sei dabei, eine neue Denkschrift zur Sexualethik zu erarbeiten, erläuterte Schneider. Die katholischen Partner dagegen seien in dieser Frage „doch sehr gebunden durch lehramtliche Entscheidungen“.
Schneider beklagte ferner, dass bislang kein gemeinsames Abendmahl möglich sei. „Nicht akzeptabel“ sei, dass konfessionsverschiedene Ehepartner, die sich beide für die Kirchen engagierten, nicht zusammen zum Abendmahl könnten: „Die Intimität des Schlafzimmers geht, aber die Gemeinschaft am Tisch des Herrn geht nicht. Das ist doch nicht vermittelbar“, betonte er. (ddp)