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Wer Burkas kriminalisiert, stigmatisiert den Islam. Nur die wenigsten legen den Koran so streng aus, dass sie ihren Körper ganz verhüllen. Ein Verbot zielt ins Leere - und schadet der Integration.

Erinnert sich noch jemand an „Florida-Rolf“? Jener deutsche Arbeitslose der vor Jahren die kollektive Entrüstung auf sich zog, weil er im sonnigen Florida deutsche Sozialhilfe bezog? Die Wogen schlugen hoch, bis die damalige rot-grüne Bundesregierung das Bundessozialhilfegesetz änderte. Ergebnis: Millionen von Sozialhilfeempfängern müssen seitdem im kalten Deutschland ihr Dasein fristen. Oder mit anderen Worten: Für Millionen von Sozialhilfeempfängern hat sich gar nichts geändert. Weil ohnehin nur eine verschwindende Minderheit von Deutschen im Ausland hiesige Hilfe zur Lebenshaltung überwiesen bekommen hat.

Nun also das Thema Burka. Man muss schon ziemlich suchen, um mal in hiesigen Breiten eine Person zu finden, die in einem islamischen Vollschleier steckt. Nur die allerwenigsten Musliminnen hier legen den Koran so streng aus, dass sie ihren Körper in der Öffentlichkeit verhüllen - samt Gesicht und Augen.

Die Religionsfreiheit gilt

Lohnt sich also ein Verbot, wenn es ohnehin nur eine winzige Zahl von Menschen betrifft, also eine Randerscheinung religiösen Ausdrucks? Nein, es lohnt sich nicht. Es würde sogar schaden:

- weil es wie im Fall von „Florida-Rolf“ eine Bevölkerungsgruppe diskreditiert: Muslime. Frei nach dem Prinzip: Wer sich verhüllt, führt Böses im Schilde. Der Koran, die heilige Schrift des Islam, verlangt es von Frauen, sich zu verhüllen. Der Islam ist also eine böse Religion.

- und weil es einen wunden Punkt in den Bemühungen um mehr Intergrationen berührt: Das „Wir-wollen-Euch-Nicht“-Gefühl, das nicht wenige Zuwanderer nach wie vor unterschwellig oder direkt hierzulande spüren, wird dadurch nur verstärkt, wenn eine - zweifellos extreme - Ausprägung des Islams mittels eines Verbots kriminalisiert wird.

Es ist in Deutschland aber nicht verboten, muslimischen Glaubens zu sein. Das Grundgesetz schützt die Freiheit der Religionsausübung. Dazu gehört auch, das Zurschaustellen streng gläubiger Überzeugungen in der Öffentlichkeit zuzulassen. Freiheit meint auch, die Freiheit des Andersdenkenden. Das muss man aushalten.

Den Schleier des Islams lüften

Natürlich ist die Burka ein Symbol für ein Glaubensprinzip, das den westlichen Werten von Freiheit und Gleichberechtigung krass widerspricht. Man kann sie als Symbol für Integrations-Verweigerung betrachten, als Zeichen der Unterdrückung der Frau, auch als eine Machtprobe islamischer Fundamentalisten interpretieren. In erster Linie aber ist sie erstmal Ausdruck einer strengen religiösen Lebensweise. Die muss man zwar nicht unterstützen. Aber verbieten sollte man sie deshalb auch nicht.

Wer Burkas verhindern will, muss vielmehr die Integration voranbringen. Deutschsprachige Imame, deutschsprachiger Islam-Unterricht - man muss Muslimen ihre Religionsausübung ermöglichen und fördern, aber unter dem Gebot der Transparenz: Das lüftet den Schleicher über einer Religion, die in all zu vielen Köpfen hierzulande als das Böse mystifiziert wird. Die Burka ist da nur ein Kleidungsstück.