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Die Korruptionsaffäre belastet den Essener Konzern Ferrostaal schwer. Jetzt entlässt der Aufsichtsrat Vorstandschef Matthias Mitscherlich mit sofortiger Wirkung. Der Korruptionsverdacht ist komplex. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen rund ein Dutzend Manager.

Es ist nicht leicht, dem Manager Matthias Mitscherlich gerecht zu werden. Jetzt, da der Chef der Essener Ferrostaal im Zuge einer Korruptionsaffäre seinen Hut nehmen muss. Ausgerechnet Mitscherlich, in Porträts vielfach als „Schöngeist” gezeichnet, ausgerechnet er, der sich als einer unter vielen sieht, ebenso im Großraum-Büro arbeitet wie die anderen Mitarbeiter, und der auch sonst nicht viel hält von zur Schau getragenen Trophäen der Macht. Ausgerechnet Mitscherlich soll sich in einem System aus Korruption verfangen haben?

Mitscherlich (61), Sohn der berühmten Psychoanalytiker Margarete und Alexander Mitscherlich, muss mit sofortiger Wirkung gehen. Das beschloss der Aufsichtsrat gestern nach stundenlanger Sitzung unter Leitung des Düsseldorfer Anwalts Georg Thoma, Partner der Kanzlei Shearman&Sterling. Der Korruptionsverdacht bei Ferrostaal ist komplex. Gegen rund ein Dutzend Manager ermittelt die Staatsanwaltschaft München, darunter soll auch Mitscherlich sein. Ob ihm Schmiergeldzahlungen oder das Wissen darum nachzuweisen sind – es spielt für die Karriere Mitscherlichs keine Rolle mehr. Die Bezeichnung „Bauernopfer“ geht jedoch fehl – der Boss trägt die Gesamtverantwortung.

Seit Monaten sind Ermittlungen im Gange. Längst ist die Reputation des Industriedienstleisters schwer angeschlagen. Ferrostaal lebt davon, Großprojekte im Anlagen-, Schiff- oder U-Boot-Bau abzuwickeln. Mit einem solchen Korruptionsverdacht im Rücken sind schwerlich neue Geschäfte zu machen.

Noch kein Nachfolger präsentiert

Ein weiterer Schritt in Richtung Schadensbegrenzung ist die Berufung von An­dreas Pohlmann, der als Compliance-Vorstand für die Einhaltung von Recht und Gesetz sorgen soll. Pohlmann hat bereits bei Siemens den Korruptionssumpf mit trockengelegt. Die Einrichtung des zusätzlichen Vorstandsressorts solle sicherstellen, dass sich „der Vorstand wieder in vollem Umfang auf das operative Geschäft konzentrieren kann“. Eine Nachfolge für Mitscherlich konnte Thoma allerdings noch nicht präsentieren. Dies werde in Kürze folgen. Die Ablösung des bisherigen Chefs sei notwendig, um den Weg für einen Neuanfang zu ebnen, so Thoma. Auch ist Peter Sassenfeld von Krauss-Maffei neuer Finanzchef.

U-Boote für Griechenland, Schlepper für Venezuela – die Staatsanwaltschaft vermutet systematische Bestechung, 180 Millionen Euro sollen über Jahre hinweg geflossen sein. Ein Kronzeuge, der mit einem Ferrostaal-Vorstand in Untersuchungshaft sitzt, soll Urheber einer Vielzahl der Vorwürfe sein. Und nicht alle scheinen stimmig, weshalb sich Mitscherlich geweigert haben soll, eine Strafzahlung des Unternehmens von 120 Millionen Euro zu akzeptieren. Heute sollen die Fahnder 240 Millionen fordern.

Das alles setzt Aufsichtsratschef Georg Thoma nicht minder unter Druck. Er hat den Staatsfonds Ipic aus Abu Dhabi bei der Übernahme von 70 Prozent der Ferrostaal-Anteile beraten – und weiß nur zu gut, dass eine Rückabwicklung des Geschäftes, die sich die Saudis offenbar wünschen, wohl kaum möglich ist.

Mitscherlich gilt als gut verdrahtet

Shearman&Sterling ist eine der renommiertesten internationalen Anwaltskanzleien. Thoma, Co-Managing-Partner, galt bislang als Experte für die wirklich komplizierten Fälle internationaler Fusionen und Übernahmen. Daimler-Benz und Chrysler, Krupp und Thyssen, Dresdner Bank und Allianz sind nur einige Namen auf der Hochzeitsliste der Kanzlei. Auch den Einstieg der Ipic-Tochter Aabar bei Daimler hat die Kanzlei begleitet.

Der Fall Ferrostaal ist dazu angetan, einen Schatten auf die Beziehungen von Shearman&Sterling zu den Scheichs zu werfen. Dass Thoma das Amt des Aufsichtsratschefs bei Ferrostaal übernommen hat, somit in erster Linie dem Wohlergehen des Unternehmens verpflichtet ist, ist zumindest fragwürdig. Selbstverständlich ist gleichwohl, dass er Aufklärung in der Korruptionsaffäre fordert. Das soll die New Yorker Kanzlei Debevoise&Plimpton erledigen. Die Amerikaner haben bei Siemens aufgeräumt.

Mitscherlich gilt als gut verdrahtet in Managerkreisen, pflegt bis in die höchste politische Klasse gute Kontakte wie zu Gerhard Schröder oder Angela Merkel. Der Philosoph Jürgen Habermas gilt ihm als väterlicher Freund, „auch als Korrektiv”, sagte Mitscherlich der FAZ. Wenn Habermas den Managern „Systemversagen” vorwarf, habe er aber widersprochen. „Man darf nicht alles in einen Topf werfen.”