Langenfeld. .

Ein betrunkener Falschfahrer (22) tötete im Juni vergangenen Jahres drei Menschen bei einem Unfall auf der A59 - und zerstörte damit eine Familie. Nun beginnt in Langenfeld der Prozess gegen den jungen Mann. Er kann sich an nichts mehr erinnern.

Wie kann ein Richterspruch die Strafe für einen jungen Menschen noch erhöhen, der mit besoffenem Kopf drei Menschen tot gefahren hat? Um vier Jahre Haft, höchstens: Der Fall des 22-jährigen Pascal B. wurde vor einem Amtsgericht angeklagt, dessen Strafgewalt nicht weiter reicht. Denn dass der Auszubildende nach dem Gesetz vermindert schuldfähig ist, steht außer Frage bei fast 1,7 Promille Blutalkohol -- zwei Stunden nach dem Unfall.

Er zittert am ganzen Leib

Deshalb gibt es auch keinen Weg durch die Hintertür für ihn: Pascal B. muss mitten durch das Spalier der Kameras und, schlimmer noch, vor der Saaltür warten unter den Blicken der Opferfamilie. Neun Männer, die später ganz vorn sitzen mit Tränen in den Augen, weil sie Schwester, Mutter, Nichte verloren haben in jener Nacht des 6. Juni vergangenen Jahres, gegen drei Uhr in der Frühe. Der 22-Jährige zittert am ganzen Leib, seine Backenzähne malmen, er sieht angestrengt zu Boden, und später wird er immer wieder sagen: „Ich schwör bei Gott, ich wollte das nicht!“

Aber er kann es nicht mehr ändern, dass er „eine Familie zerstört“ hat. Weil er sturzbetrunken einen schweren Unfall verursachte auf der A 59 bei Leverkusen und Langenfeld. Er kann sich an nichts mehr erinnern, er weiß nicht einmal mehr, dass er ins Auto stieg. Aber es ist unstrittig: dass er ins Schleudern geriet und in die Mittelplanke krachte, dass sich der Wagen drehte und er trotzdem wieder Gas gab. Als Geisterfahrer ohne Licht auf der linken Spur, wo er frontal zusammenstieß mit der Familie V., deren Auto über der Leitplanke in der Luft hängen blieb. Es überlebten der Vater (42) und zwei Kinder (8 und 10). Es starben Ehefrau und Mutter (32), Großmutter (78) und das Kleinste, gerade 14 Monate alt.

Die Erinnerung liegt im Alkoholnebel

B. hat das erst später erfahren. „Ich wünschte, ich könnte mich erinnern“, sagt er, für die Angehörigen der Opfer eine „glatte Lüge“. Dabei beteuert Pascal B., er habe sich sogar hypnotisieren lassen, um seine Erinnerung wiederzufinden. Aber sie beginnt erst wieder mit einem Blaulicht. Und endete kurz vor Mitternacht im Alkoholnebel. Er hatte zelten wollen mit Freunden am Baggersee, „eigentlich ein toller Abend“, man hatte gegrillt und getrunken: Von Wodka berichten die jungen Leute vor Gericht, von Jägermeister, Bier und Sekt, gemischt mit Red Bull, Am Ende lagen nur noch leere Flaschen im Gras. Sie erzählen auch, wie Pascal ausrastete im Rausch, wie schon häufiger zuvor, wie es Streit gab und der Freund plötzlich verschwand.

Ein schrecklicher Knall von der nahen Autobahn

Das nächste, was sie von ihm hörten, war ein schrecklicher Knall von der nahen Autobahn. Getaumelt habe er zuvor, sich im Gras gewälzt. „Unzurechnungsfähig“, sagen die Freunde, „der war in einem eigenen Film“ – der wenig später gerissen sein muss. Zeugen bestätigen den Zustand, gelallt habe der Mann, geschwankt und gejammert: „Ich will nach Hause!“ Ein Polizist erinnert sich an „deutlichen Alkoholgeruch: Er konnte meinen Ausführungen nicht folgen.“ Auch ein Mechaniker aus Köln hatte „das Gefühl, der schaut durch mich hindurch“.

Trotzdem hat dieser Mann noch nach dem ersten Crash versucht, den Unfallfahrer aufzuhalten. Rief „Hallo!“ und die Polizei, als er sah, dass der Wagen entgegen der Fahrtrichtung startete, mit quietschenden Reifen. Es gibt viele unter denen, die zu jener Stunde unterwegs waren, die anhielten, auf die Fahrbahn sprangen in der Schwärze der Nacht und das Auto zu stoppen versuchten, ihm nachliefen, andere Verkehrsteilnehmer warnten: „Ich habe mein Leben aufs Spiel gesetzt“, sagt der Kölner. Seit er weiß, dass er drei andere nicht retten konnte, macht er sich Vorwürfe. Auf dem Gerichtsflur bedanken sich Verwandte der Verstorbenen für den Versuch.

Nüchtern, so Freunde, war er ein lieber Kerl

Auch nach der Kollision mit Familie V. und einem weiteren Kleinwagen halfen die Leute. Einer hielt das Kleinkind, bis es das Bewusstsein verlor. Das kleine Mädchen starb an schweren Kopfverletzungen und Genickbruch, Mutter und Großmutter versagte die Atmung. Pascal B. blieb lange in seinem Auto sitzen. Seit dem Unfall rührt er keinen Alkohol mehr an. „Nüchtern“, sagt eine Freundin, „war er immer ein ganz lieber Kerl.“