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Gemeinsame Wortmeldung eines roten und eines schwarzen Ex-Politstars: Wolfgang Clement und Friedrich Merz haben das Buch „Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0“ geschrieben. Bei ihrer Analyse der Wirklichkeit und den Lösungsvorschlägen rechnen sie mit der jetzigen Regierung ab.

Gemeinsame Wortmeldung eines roten und eines schwarzen Ex-Politstars: Wolfgang Clement und Friedrich Merz haben das „Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0“ geschrieben.

Bevor es nur so von politischen Ratschlägen an die derzeit Mächtigen hagelt, wird zunächst Vergangenheitsbewältigung betrieben. Dabei verheddert sich der Ex-Sozi Clement bei seiner Positionsbestimmung. Seinen Parteiaustritt erklärt er zuerst damit, sowieso nie ein „150-prozentiger Sozialdemokrat“ gewesen zu sein. Drei Seiten weiter allerdings lässt er seine Gefühle sprechen, indem er bekennt: „Ich empfinde mich nach wie vor als Sozialdemokrat.“ Beim letzten Bundestagswahlkampf habe allerdings eher die FDP die richtige Politik vertreten. Politisch heimatlos fühle er sich aber nicht, denn der politische Diskurs, an dem er stärker als je zuvor teilnehme, finde doch schon längst nicht mehr ausschließlich in den Parteien statt.

Merz bekennt sich weiterhin als CDU-Mitglied aus Überzeugung. Er sei allerdings aus der aktiven Politik ausgeschieden, um mal was anderes zu machen. Gescheitert sei er jedenfalls nicht: „Ein Politiker sollte nicht nur dann als erfolgreich gelten, wenn er bis zum 70. Lebensjahr in hohen Regierungsämtern war und dann gegen seinen Willen aus dem Saal herausgetragen wird.“ Merz will nicht ausschließen, in einigen Jahren noch einmal ein politisches Amt anzunehmen.

Politiker haben sich mehr und mehr von Wählern entfernt

Beide Autoren sind sich einig, dass die Politiker in Deutschland sich mehr und mehr von ihren Wählern entfernt hätten. Durch das Verhältniswahlrecht werde die Mehrheit der Mandate nicht von den Wählern, sondern von den Parteikollegen durch die Platzierung auf den Wahllisten verteilt. Das Resultat seien angepasste politische Parteisoldaten. Die Folge sei Entfremdung von den normalen Bürgern, die Quittung Parteienverdruss. Der Union drohe dadurch eine ähnliche Abspaltung, wie es die SPD mit der Linkspartei habe hinnehmen müssen. Und in Richtung Parteiführung der Union, sprich Merkel, heißt es: „Regieren allein ohne Richtung und Ziel reicht auf Dauer ebenso wenig wie die Koalitionsfähigkeit mit mehr oder weniger allen übrigen Parteien.“ In der Weigerung, auf die drängenden Fragen unserer Zeit Antworten zu geben, komme auch eine gehörige Missachtung der Menschen zum Ausdruck.

Clement und Merz fordern eine Beschränkung von Mandaten und politischen Ämtern auf zwei Legislaturperioden. Listenaufstellungen der Parteien müssten aus den Hinterzimmern in die Öffentlichkeit auch von Nichtparteimitgliedern getragen werden. Und nur Kandidaten mit Lebens- und Berufserfahrung sollten eine Chance haben.

Nachkriegstugenden wieder zum Leben erwecken

Der Ex-Sozi Clement und Weiterhin-Christdemokrat Merz glauben, dass in der Finanz- und Wirtschaftskrise das Schlimmste zwar überstanden, aber das Schwierigste noch vor uns liege. Jetzt komme es darauf an, Nachkriegstugenden wie Fleiß, Sparsamkeit, Konsumverzicht und Disziplin wieder zu neuem Leben zu erwecken. Beide wollen einen Sozialstaat, der „auf die eigenen Kräfte des und der Einzelnen setzt. Sozialleistungen sind nur für die gedacht, die sich unverschuldet in einer Notlage befinden.“

Die Polit-Rentner Clement und Merz eiern bei ihrer Analyse der Wirklichkeit und den Lösungsvorschlägen nicht herum. Das alles ist keinesfalls von gestern, sondern vieles geht auf den Grund der Dinge. Angesichts des täglichen Klein-Kleins in der Politik ist das streckenweise erfrischende Gedankenfreiheit.

Wolfgang Clement/ Friedrich Merz: Was jetzt zu tun ist. Deutschland 2.0, Herder Verlag, 200 Seiten, 18,95 Euro.