Velbert. .

Die Wechseljahre erleben auch viele Männer als eine Zeit des Wandels: Die Haare werden weniger, dafür wächst die Wampe. Doch die Probleme gehen tiefer, verändern oft das ganze Leben. Bis zu der bangen Frage: Bin ich eigentlich noch männlich?

Sein ganzes Leben ging es nach oben, immer steil bergauf. Die Kinder, die Karriere, der eigene Körper. Hans-Jochen Ehlers-Döhne war glücklich, erfolgreich und leistungsfähig. Dann veränderte sich etwas im Leben des 52-jährigen Betriebswirtes aus Velbert, es ging abwärts.

Erst ging die eigene Firma in den Konkurs und darüber die Ehe in die Brüche. Dann brach der Kontakt zu den Kindern ab. Vor vier Jahren war Ehlers-Döhne völlig ausgebrannt. Zu den persönlichen Krisen kamen noch körperliche. Die Kraft ließ langsam nach: „Ich konnte nicht mehr, die Energie war einfach weg.“ Es waren Jahre des Wandels. „Ich brauchte einen totalen Neuanfang“, sagt er heute.

Es geht um die Wechseljahre des Mannes

Längst nicht jeder Mann erlebt die Veränderungen des Alterns so dramatisch. Nicht alle sind Betroffene, obwohl es alle betrifft. Biographische Brüche, Lebenskrisen, nachlassende Kräfte und die bange Frage, die vom Bett bis zum Beruf alle Lebensbereiche berührt: Bin ich eigentlich noch männlich? „Es geht um die Wechseljahre des Mannes“, sagt der Dortmunder Psychotherapeut Jürgen Krinke: „Und um viel mehr als um weniger Haare und eine wachsende Wampe.“

Bei Frauen wüsste jeder worüber er rede, „bei Männern redet kaum einer darüber. Dabei betreffen die Wechseljahre die männliche Identität sehr stark.“ Denn während das Testosteron schwindet, steigt oft die Zahl der vom Leben geschlagenen Wunden: „Wechseljahre sind im Wortsinn eine Zeit des Wandels in allen Lebensbereichen, nicht nur der biologischen Veränderungen.“ Wenige wissen das besser als Dieter Rothardt. Der 54-jährige Schwerter ist Mann und Pfarrer, erlebt die Wechseljahre im eigenen Körper und in der eigenen Kirche: Rothardt ist der „Männerpfarrer“ der Evangelischen Kirche von Westfalen und kennt die Probleme aus zahlreichen Gesprächen.

In den Wechseljahren wird das starke Geschlecht mit vermeintlichen Schwächen konfrontiert: „Man muss mit eigenen Niederlagen fertig werden. Das ist für Männer sehr schwierig.“ Stichwort: Überkompensation. Mit Blick auf vergebene Chancen wird vielen das eigene Leben plötzlich zu einfach, zu eng. „Manche Männer holen etwas nach, drehen ein paar eckige Runden“, weiß der Männerpfarrer. Die einen kaufen eine Harley, andere schaffen sich mit 50 Jahren Kinder oder eine blutjunge Freundin an. „Die wollen es sich selbst noch mal beweisen“, sagt Rothardt und warnt: „Ohne Selbstreflexion sind Bruchlandungen vorprogrammiert.“

Manneskraft lässt nach

Zu verstehen, was mit einem passiert, ist ein erster Schritt. Es zu akzeptieren, ein ganz anderer: „Ich musste lernen, dass ich nicht mehr alles leisten kann“, sagt Hans-Jochen Ehlers-Döhne. Ein langer und auch schmerzhafter Prozess: „Es gibt Momente, da will ich nicht wahrhaben, dass die Manneskraft nachlässt. Da denke ich mir: Mensch, ich als Mann muss das doch noch können. Das ist doch meins.“ Der begeisterte Jogger, kommt immer schneller an körperliche Grenzen: „Nach einer halben Stunde Spaziergang bin ich manchmal total kaputt.“ Das sei frustrierend, aber: Sich zurücknehmen, Aufgaben abgeben, mal schwach sein dürfen – „Dafür muss man ehrlich mit sich selbst sein.“

Und nicht nur zu sich:. „Oft hilft es, einfach über die Probleme und Ängste zu reden“, sagt Jürgen Haas (48) aus Hemer. Der Gestaltungstherapeut gibt im Rahmen der Evangelischen „Männerarbeit“ Seminare – auch zum Thema Sexualität. Dabei sei ein Klischee sehr verbreitet: „Ein Mann hat seinen Mann zu stehen – immer und überall.“

Persönlich gekränkt

Wenn Lust und Manneskraft im Alter nachlassen, empfinden viele das als persönliche Kränkung und denken: „Ich habe es nicht gebracht.“ Die Selbstzweifel würden dabei oft noch durch die Ehefrau verstärkt, hat Jürgen Krinke beobachtet: „Da kommt dann oft der Vorwurf: Du liebst mich nicht mehr.“ Auch hier hilft: Reden und Verständnis aufbauen für die hormonelle Veränderung bei beiden Partnern.

Auch Hans-Jochen Ehlers-Döhne hat wieder in die Spur gefunden: Er machte eine Therapie, traf eine neue Frau. Gemeinsam unterstützen sie sich in ihren Wechseljahren, ein „Segen“, wie er heute sagt. Geholfen haben ihm aber vor allem Gespräche mit anderen Männern und die Erkenntnis: „Es geht vielen anderen so wie mir. Ich bin nicht allein.“