Duisburg/Brüssel. .

Aus Sorge vor dem Verlust Tausender Arbeitsplätze durch Spekulantentum bei Rohstoffen und den Emissionshandel in der EU formiert sich massiver europaweiter Arbeitnehmer-Protest: Die Me­tall- sowie Bergbau-, Chemie und Energiegewerkschaften organisieren für den 22. April einen europaweiten Aktionstag. Ein Schwerpunkt wird Duisburg als Sitz des größten deutschen Stahlproduzenten ThyssenKrupp Steel sein.

„Zeit zu handeln“

In einem Offenen Brief an EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sowie alle 27 Regierungschefs der Europäischen Union, der der NRZ vorliegt, appellieren die Generalsekretäre des Europäischen Metallgewerkschaftsbundes (EMB) sowie der Europäischen Föderation der Bergbau-, Chemie- und Energiegewerkschaften (EMCEF), Peter Scherrer und Reinhard Reibsch: „Es ist an der Zeit zu handeln, um unsere Metallindustrien zu retten!”

Sie fordern unter anderem, dass die EU nationale Subventionen für energieintensive Metallindustrien als Ausgleich für die Strompreissteigerungen durch den Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten bereits jetzt zulässt und nicht erst, wie bislang geplant, ab 2013. Anderenfalls „verschärft sich die Gefahr”, dass Unternehmen ins nicht-europäische Ausland abwandern. Weiter fordern sie ein „entschiedenes europäisches Gegensteuern gegen eine weitere Konzentration auf den internationalen Rohstoffmärkten”.

„Unsere wirtschaftliche Situation ist extrem fragil”, warnen die Generalsekretäre Scherrer und Reibsch in dem Brief. „Die schwache Konjunkturerholung droht durch die im weltweiten Vergleich enorm hohen Stromkosten und die angekündigten Preiserhöhungen für Erze und Kohle gänzlich zu verkümmern. Die europäischen Stahl- und Nichteisenmetallindustrien stehen in scharfem internationalen Wettbewerb. Ihre Kapazitäten und die der Abnehmerbranchen sind bei weitem nicht ausgelastet.” In Europas Nichteisenmetallindustrie seien über 250 000, in der Stahlindustrie 370 000 Arbeitnehmer beschäftigt. Der EMB vertritt 75 Gewerkschaften mit insgesamt 5,5 Millionen Mitgliedern, der EMCEF steht für 128 Gewerkschaften mit 2,5 Millionen Mitgliedern.

Hintergrund des Protests ist zum einen die Angst vor einer Preiswelle bei Eisenerzen, die auf deutsche Stahlkonzerne, Auto- und Maschinenbau-Industrie und letztlich die Verbraucher zurollt. Der Markt wird von drei Rohstoffkonzernen dominiert. Die brasilianische Vale sowie die beiden britisch-australischen Konzerne Rio Tinto und BHP Billiton haben der Stahlindustrie kurzfristigere Verträge und Preiserhöhungen von annähernd 100 Prozent aufgezwungen.

Hohe Stromkosten

Zum anderen drücken die hohen Stromkosten für Großabnehmer, die seit Einführung des Emissionshandels zur Eindämmung des Klimagases CO2 im Jahr 2005 drastisch gestiegen sind. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl beziffert die Belastungen der Stahlindustrie in Deutschland durch die Strompreis-Wirkungen des Emissionshandels auf etwa 365 Millionen Euro im Jahr. Außerdem könnten ab 2013 durch den Kauf von CO2-Zertifikaten jährlich Kosten von bis zu einer Milliarde Euro anfallen.

Weil die Stahlhersteller die steigenden Preise für Rohstoffe wegen der Wirtschaftskrise nicht mehr an ihre Kunden weitergeben könnten, sieht der Betriebsrat des Stahlherstellers ThyssenKrupp Steel jeden dritten der rund 90 000 Arbeitsplätze der Branche in Deutschland gefährdet. Zur Protestaktion nächste Woche Donnerstag in Duisburg erwartet er rund 10 000 Teilnehmer aus ganz Europa.