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Wenn Ferrari-Fahrer auf Radler treffen, birgt das Konflikte. Nicht nur im Verkehr, sondern auch im TV-Studio. „Hassfigur Autofahrer: Aggressiv, gefährlich, asozial?“ war die Frage bei Maischberger. Verkehrsminister Peter Ramsauer sieht gegen Raser „kein Kraut gewachsen“.
Mehr als 4000 Menschen sterben pro Jahr im Straßenverkehr. Für einige Grund genug, ein Tempolimit, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die regelmäßige Überprüfung der Fahrtauglichkeit oder begleitetes Fahren ab 17 Jahren zu fordern. Andere bezeichnen das Auto schlicht als „Massenvernichtungswaffe“. Wieder andere haben durch Raser auf Autobahnen Familienmitglieder verloren. Jede Menge Zündstoff für die „Menschen bei Maischberger“ zum Thema „Hassfigur Autofahrer: Aggressiv, gefährlich, asozial?“.
Verena Aßmann ist ein bekanntes Opfer von Rasern. Vor sieben Jahren wurden ihre 21-jährige Tochter und ihre zweijährige Enkelin auf der Autobahn von einem Sportwagenfahrer mit Tempo 250 bedrängt. Sie riss das Steuer nach rechts und prallte auf einen Baum. Mutter und Tochter waren sofort tot. Das anschließende „Raser-Urteil von Karlsruhe“ machte Schlagzeilen, schließlich war der Raser ein Testfahrer von Mercedes. Seine Strafe: ein Jahr auf Bewährung und 12 000 Euro Geldbuße.
Verena Aßmann ist noch heute sprachlos über das Urteil. Bei Sandra Maischberger erzählt sie noch einmal, wie sie erst nachmittags vom Tod ihrer Tochter und Enkelin erfuhr, nachdem sie die Nachricht bereits aus dem Radio kannte, wie sie den Testfahrer vor laufenden Kameras gebeten hat sich zu stellen, wie er ihr später beim Prozess sagte, er könne sich vorstellen, wie schwer es sei, ein Kind zu verlieren. „Das kann er sich bestimmt nicht vorstellen“, sagt sie mit gepresster Stimme, blinzelt mit den Augen.
„Vielleicht wäre die Situation damals anders ausgegangen, wenn es ein Tempolimit gegeben hätte“, sagt sie. Doch diese Vermutung prallt an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer ab.
Tempo-Limits? Haben wir schon
„Dieser Typ hätte sich auch nicht an ein Tempolimit gehalten. Der ist einfach verantwortungslos gefahren“, sagt Ramsauer. Außerdem: Tempolimits gebe es bereits auf 40 000 Kilometern Bundesstraße und auf 10 600 Kilometern Autobahn. Zwei Drittel aller Autobahn-Strecken seien bereits geschwindigkeitsbeschränkt. Das „Raser-Urteil von Karlsruhe“ sei eines, „das auch ich als ungerecht empfinde“, erklärte Ramsauer. Doch: „Gegen jemanden, der so fährt, ist kein Kraut gewachsen.“
Doch was kann dann getan werden, um die Zahl der Unfalltoten zu reduzieren?
Den Benzin-Preis zu erhöhen, wie Bundespräsident Horst Köhler es im März forderte, ist offenbar kein adäquates Mittel. „Trotz erheblicher Erhöhung des Benzinpreises hat sich die Inanspruchnahme von Autos nicht erheblich geändert“, sagt Peter Ramsauer. Ein Statement, das ihm noch aus den Pressekonferenzen im März geläufig sein dürfte. Die Benzinpreis-Erhöhung sei außerdem eine soziale Frage, wirft der ehemalige VW-Manager Klaus Kocks ein: „Das klingt zwar grün, ist aber sozialer Zynismus.“
Überprüfung der Fahrtauglichkeit als Lösung?
Und wie sieht es mit der Überprüfung der Fahrtauglichkeit alle zehn Jahre aus, wie es andere europäische Länder vormachen? Diese Frage wird im TV-Talk zwar nicht beantwortet. Dafür aber lernt der Zuschauer einen gut informierten und moralischen Peter Ramsauer kennen. Die theoretischen Fragen aus den Führerschein-Prüfungen, die Sandra Maischberger allen stellt, beantwortet der Bundesverkehrsminister fast alle korrekt, zeigt sich schilderkundig und betont, wie wichtig verantwortungsbewusstes Handeln im Straßenverkehr sei. Sogar den roten Streifen als Symbol kann er erklären: „Es ist angebracht an Laternen und besagt, dass sie nicht die ganze Zeit leuchten.“ Test bestanden.
Doch zum Thema Fahrtauglichkeit erzählt er lediglich von seiner Mutter, die erst in sehr hohem Alter das Auto stehen ließ: „Meine Mutter hat mit 86 zu mir gesagt: ,Wenn du mich nicht mehr fahren lässt, dann kannst Du mir gleich den Deckel zuklappen.’“ Viel gefährdeter als alte Autofahrer seien vielmehr die 18- bis 24-Jährigen. Deswegen sei begleitetes Fahren ab 17 „der Renner“.
Autoverkehr als „Auslaufmodell“
Den „Deckel zuklappen“ will Jutta Ditfurth auf keinen Fall, nur weil ein Mensch nicht mehr fahrtauglich sei. Erst recht nicht bei ihrer Mutter. „Meine Mutter ist nicht auf ihr Auto fixiert. Aber der öffentliche Nahverkehr lässt es nicht zu, dass sie sich auf andere Weise fortbewegt“, sagt die Ex-Grünen-Politikerin und überzeugte Radfahrerin. Der Bahn- und Personen-Nahverkehr müssten erheblich verbessert werden. Überhaupt sei der Autoverkehr ein „komplettes Auslaufmodell“, sei Freiheitsberaubung für Fußgänger, durch die Abgase krebserregend und durch die Unfälle tödlich.
„Wir globalisieren den Unfall-Tod“, schlägt Klaus Gietinger in dieselbe Kerbe. Er verfasste das Buch „Totalschaden. Das Autohasserbuch“ und bezeichnet das Autofahren als Droge und Seuche. Der Autor verfolgt die „Vision 0“, eine autofreie Welt ohne Unfalltote. „Ich schließe mich der Vision 0 Verkehrstote an“, sagt Peter Ramsauer. Man habe die Zahl jedoch bereits drastisch reduziert: 1970 habe es 21 300 Verkehrstote gegeben, 2009 waren es nur noch 4160 bei der dreifachen Verkehrsintensität. „Wir sind auf einem guten Weg. Aber es sind immer noch 4160 Tote zu viel.“
Phallus-Symbol oder Objekt der Begierde?
Apropros Autohasser – was war denn jetzt mit der Hassfigur Autofahrer? Ex-VW-Manager Klaus Kocks erkennt in dem Auto – ganz klassisch – ein Phallus-Symbol. Jutta Ditfurth wiederum erkennt in Autoliebhabern Männer mit sexuellen Störungen und in Raserinnen Frauen, die nach dem Job beim Autofahren ihren Frust loswerden. Peter Ramsauer ist froh, dass er noch keine Punkte in Flensburg verzeichnen muss.
Und Willi Weber, Formel-1-Manager und Entdecker von Michael Schumacher, schämt sich für seine Punkte und die dazugehörigen Geschwindigkeitsübertretungen. Seine Erklärung: In so einem Ferrari, der in ihm Emotionen auslöse, „da merkt man die Geschwindigkeit gar nicht“. Auch wenn ein Pkw, wie er mehrfach betont, nur „ein Stück Blech“ sei, sei Weber durch und durch Autoliebhaber. Einschränkungen für den Autofahrer bringen ihn zu der Frage: „Wo bleibt die Lebensqualität?“ Zumindest unter den „Menschen bei Maischberger“ steht er damit recht alleine da.