Berlin..
Drei Jahre mussten die RTL-Zuschauer warten, am Freitag war es soweit: Mit schneller Salsa und einem langsamen Walzer ging „Let’s Dance“ in die nächste Runde. Sylvie van der Vaart, Arthur Abraham, Raùl Richter und Sophia Thomalla traten an. Neue Staffel, altes Format – und ein großes Problem.
Was ist Tanzen? Tanzen ist ein Ritual, eine Kunst. Es ist ein besonderes, ein beschwingtes Gefühl. Die Beine vollführen ganz automatisch die schwierigen Schrittfolgen, obwohl sie sich beim schwungvollen Cha-cha-Cha eigentlich verknoten sollten. Eins, zwei, Cha-cha-cha - eins, zwei, Cha-cha-cha. Guildo Horn, Heide Simonis und Wayne Carpendale durften dies bereits bei RTL’s „Let’s Dance“ erleben. Gestern Abend waren zehn neue Stars und Sternchen zum Tanzwettbewerb angetreten. Moderatorin Nazan Eckes machte aus ihrer Begeisterung keinen Hehl: „Ganz Deutschland hat auf die Rückkehr von „Let’s Dance“ gewartet, ganz Deutschland ist glücklich, dass es weiter geht.“
Doch wirklich warm wurde man mit der neuen Auflage nicht. Es fehlte von Anfang an das gewisse Etwas, das sich schlicht und einfach benennen lässt: Hape Kerkeling.
Strenge Urteile von dem gefürchteten Juror Joachim Llambi
Dabei waren die Rahmenbedingungen für einen launigen Fernsehabend recht vielversprechend: Die Kandidatenliste mit Brigitte Nielsen, Rolf Scheider alias „Rolfe“, Sylvie Van der Vaart, Arthur Abraham und Hillu Schwetje war gewohnt ausgefallen. Die Kostüme der Kombattanten samt Profi-Partner schillerten farbiger und waren gewagter geschnitten denn je. Juror Joachim Llambi urteilte streng und kritisch, und Harald Glööcklers Preisrichter-Auftritt mit knallrotem ärmellosen Anzug und unverkennbarem Lispeln wirkte so skurril wie erwartet.
Der aufmerksame Beobachter wunderte sich lediglich zwischen Glööckler, Llambi, Salsa und langsamen Walzer über eine für RTL etwas seltsame Personalentscheidung: „Was hat da eigentlich Peter Kraus als Preisrichter zu suchen?“
„Das ist Gala, Drama und Glamour“, schwärmte Nazan Eckes. Der Ersatz für Moderator Hape Kerkeling, Daniel Hartwich, versuchte sich da lieber in sexuellen Anspielungen Richtung tapfer lächelnder Kandidatinnen. „Das ist Glamour, Gala , Tanzspektakel“, schob Kollegin Nazan zur Rettung noch einmal ein.
Sylvie van der Vaarts Kulleraugen
Wenn sich Glamour an diesem Abend an kleinen silbernen Glitzerstückchen definierte, mochte sie damit sogar Recht haben. Die klebten geradezu an allem: An Sylvie van der Vaarts Kulleraugen, an Nina Botts Ballkleid, an Sarah Lattons „Nichts“ in Pink, mit dem die Profi-Tänzerin exessiv versuchte, die Blicke auf sich zu ziehen – und von ihrem übergewichtigen C-Promi-Partner Achim Menzel mit dem enthusiastischen Dauerlächeln abzulenken. Glitzer klebt auch an Juror Harald Glööcklers Bart, an seinen Augenliedern, selbst an seinen Brusthaaren.
Bizarr, ohne Zweifel. Der aufmerksame Beobachter wunderte sich aber noch immer: Was hat da eigentlich Peter Kraus zu suchen?
Besser war es, nicht darüber nachzudenken und einfach weiterzuschauen. Hape Kerkelings Abwesenheit schmerzte schon genug, denn Daniel Hartwich präsentierte sich als überdrehter, wenig überzeugender Nachfolger ohne jeglichen Stil. Außerdem sind die Darbietungen der „wahren“ „Let’s Dance“-Helden, der vermeintlich prominenten Tänzer, wichtiger. Die fielen gestern wahlweise begabt aus wie bei Raùl Richter (sexy Hüftschwung, feurige Partnerin Melissa Ortiz-Gomez) und Nina Bott (weiches Schweben im Dreiviertel-Takt). Oder eben weniger begabt, wie bei Brigitte Nielsen (die Beine sind viel zu lang, Partner Oliver Tienken zu klein) und Arthur Abraham (auf der Stelle stehen bleiben und trampeln).
Im medialen Mittelmaß versunken
Gleich tot umfallen, wie Schauspieler Matthieu Carrière symbolisch beim Walzer zur Titelmusik von Francis Ford Coppolas „Paten“, musste der Zuschauer aber nicht. Auch wenn die Show bereits nach zehn Minuten im medialen Mittelmaß versank.
Ganz plötzlich und unerwartet kam zur Halbzeit die Wende. 22.25 Uhr war es, als Hillu Schwetjes Auftritt beim langsamen Walzer der Sendung etwas gab, was zuvor längst verloren zu sein schien: Niveau. Die Augen der leicht unbeholfenen Tänzerin strahlten ehrliche Freude aus. Das Publikum klatschte begeistert. Hillu Schwetje überhörte den unpassenden „Gerhard-Schröders-SPD-liegt-am-Boden“-Witz Hartwichs. Und Harald Glööckler bot etwas vollkommen Unerwartetes: Er fand die richtigen Worte und verneigte sich demütig vor der tanzenden „Kaiserin“. Gerade der Paradiesvogel lieferte dann noch die angemessensten Sätze des Abends: „Tanzen ist wie singen mit dem Körper. Tanzen ist die Poesie des Fußes.“
„Let’s Dance“ anno 2010 ist, wenn am Ende nach Jury-Urteil und Zuschauer-Voting Rolf Scheider alias „Rolfe“ überraschend als erster Kandidat ausscheidet. Wenn der Wunsch, Hape Kerkeling wiederzusehen, immer größer wird – und sich der Zuschauer sich immer noch fragt, wer eigentlich Peter Kraus zum Preisrichter gemacht hat.