Chemnitz. .
Das Hochwasser in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Polen und Tschechien hat inzwischen elf Todesopfer gefordert. Rund um Görlitz gilt Katastrophenalarm. Heute sollen die Wasserpegel weiter steigen.
Acht Jahre nach dem Jahrhunderthochwasser von 2002 ist Sachsen am Wochenende erneut von einer Flutkatastrophe heimgesucht worden. Nach schweren Regenfällen mit Rekordmengen bis zu 160 Liter pro Quadratmeter und dem Bruch einer Staumauer in Polen überschwemmten die Wassermassen der Neiße und anderer Flüsse Straßen und ganze Ortschaften. Allein in Sachsen wurden mehr als 1.400 Menschen evakuiert, im Dreiländereck Deutschland/Polen/Tschechien gab es mindestens elf Tote. Der sächsische Innenminister Markus Ulbig sprach von einer „sehr ernsten Lage“, zum Teil galt Katastrophenalarm.
Kritisch war die Lage im Landkreis Görlitz, aber auch im Raum Zittau und Weißwasser sowie rund um Chemnitz. Der Pegel der Neiße in Görlitz lag am Sonntagvormittag bei 7,07 Metern - normal ist zu dieser Jahreszeit ein Stand von 1,70 Metern. In den kommenden Stunden werde ein weiterer Anstieg auf 7,20 Meter erwartet, sagte der Pressesprecher des sächsischen Umweltministeriums, Andreas Kunze. Für die Spree in der Lausitz galt die höchste Hochwasserwarnstufe 4. Im Bereich der Elbzuflüsse sei es neben Hochwasser auch zu Erdrutschen gekommen.
Noch keine Entwarnung
Entwarnung konnte auch am Sonntag noch nicht gegeben werden. Aktuell entspanne sich die Lage zwar vorübergehend, nachdem der Dauerregen nach Nordosten abgezogen sei, erklärte der Deutsche Wetterdienst. Von Westen ziehe aber schon wieder ein neuer Tiefausläufer mit weiteren Schauern und Gewittern heran.
Ministerpräsident Stanislaw Tillich, der sich vor Ort ein Bild machte, sagte aber am Sonntagmittag in Görlitz, das Gröbste sei überstanden. Das Wasser laufe langsam ab. Mit den gewaltigen Schäden des Jahrhunderthochwassers vor acht Jahren sei das jetzige nicht vergleichbar, es seien die richtigen Lehren gezogen worden. Die Landesregierung richtete ein Spendenkonto für die Flutopfer ein.
Bei den drei deutschen Opfern handelte es sich um einen 74-Jährigen, seine 72 Jahre alte Ehefrau und einen weiteren Mann im Alter von 63 Jahren - alle Bewohner des Hauses, in dessen Keller sie gefunden wurden. Nach ersten Ermittlungen kamen die drei bei dem Versuch ums Leben, Gegenstände aus dem von Hochwasser überfluteten Keller ihres Wohnhauses zu bergen. Die Polizei mahnte daher dringend zur Vorsicht angesichts der Wassermassen.
Im Landkreis Görlitz herrschte seit Samstagnachmittag, 16.00 Uhr, Katastrophenalarm. Der Sprecher des Innenministeriums, Frank Wend, sagte der Nachrichtenagentur DAPD, es sei das schlimmste Hochwasser in Sachsen seit über 100 Jahren. Mehrere Orte und Ortsteile würden wegen Überschwemmungen der Neiße und Mandau evakuiert. Betroffen waren rund 800 Menschen. In Zittau wurde ein Wohngebiet überschwemmt, so dass die Menschen dort eingeschlossen waren.
1.000 Menschen in Tschechien evakuiert
Innenminister Ulbig informierte sich vor Ort über den Einsatz von Polizei, Technischem Hilfswerk und Feuerwehr. Die Bundespolizei bot fünf Hubschrauber an. Diese werden nach Angaben des Ministeriumssprechers auch in Polen eingesetzt, um vom Wasser eingeschlossene Menschen zu retten. Ulbig sagte am späten Abend in der ARD, alle Behörden seien in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die Evakuierungsmaßnahmen liefen, weitere würden folgen.
Erheblich verschärft hatte sich die Lage nach dem Bruch einer Staumauer am polnischen Fluss Witka bei Radmeritz in der Nähe der deutschen Grenze. Die Wassermassen flossen auf das ohnehin belastete Gebiet rund um Görlitz in Sachsen zu.
Menschen mit Hubschraubern von Dächern gerettet
Noch dramatischer stellte sich die Lage in Tschechien dar, wo mehr als 1.000 Menschen vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht werden mussten. In Chrastava an der Lausitzer Neiße und der am Nebenfluss Smeda gelegenen Ortschaft Frydlant wurden mehrere Einwohner mit Hubschraubern von den Dächern ihrer Häuser gerettet.
In der südpolnischen Stadt Bogatynia standen drei Viertel aller Straßen unter Wasser. In Sachsen waren am Samstag Straßen aufgrund des Hochwassers gesperrt, vorübergehend musste auch ein Teil der Autobahn 72 für den Verkehr geschlossen werden. Die Feuerwehr musste vielfach überflutete Keller auspumpen.
Regen sorgt auch in Bayern für Probleme
Die Regenmassen sorgten auch in Bayern für Probleme. Die heftigen Niederschläge brachte das aus Oberitalien über die Alpen gezogene Tief „Viola III“ mit. Im Raum München fielen schon am Donnerstag zum Teil über 90 Liter pro Quadratmeter, bis Samstagmorgen kamen noch bis zu 63 Liter dazu. Der Dauerregen brachte sogar den Starnberger See zum Überlaufen, wie die Meteorologin Dorothea Paetzold vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach berichtete.
Am Sonntag sollte sich der Dauerregen nach Osten verziehen. Die Pegel der Elbe in Tschechien, Sachsen und Sachsen-Anhalt dürften laut einer Mitteilung der Hochwasservorhersagezentrale in Magdeburg deshalb weiter steigen. Zu Beginn der Woche sei in Sachsen-Anhalt mit Ausrufung der Alarmstufe 1 zu rechnen, erklärte die Hochwasservorsorgezentrale. (apn)