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Rechtsextreme nutzen zunehmend die vielfältigen Möglichkeiten des Web 2.0, um ihre Ansichten zu verbreiten. Ob in Sozialen Netzwerken und Communities oder über Twitter-Accounts: Die Rechten sind im Internet weiter auf dem Vormarsch - vor allem in NRW.

Rechtsextreme Gruppen, Parteien und Einzelpersonen nutzen vermehrt das Web 2.0. Sie mischen sich unter die Nutzer in Portalen wie Facebook und Studivz, nehmen an Diskussionen in Foren teil und twittern. 2008 gab es laut einer Untersuchung von Jugendschutz.net mehr als 1500 unzulässige Videos und Profile im World Wide Web, doppelt so viele rechtsextreme Verstöße wie im Jahr zuvor.

„Der Trend, den wir bereits im letzten Jahr festgestellt haben, scheint sich zu bestätigen“, sagt Michael Wörner-Schappert, Pädagoge und Mitarbeiter bei Jugendschutz.net. Schon jetzt, rund vier Wochen bevor die endgültigen Zahlen der aktuellen Studie vorliegen, steht damit fest: Die rechtsextremen Aktivitäten im Web 2.0 haben sich 2009 noch einmal verstärkt.

NPD sagt rechtsextremen Usern, wie sie sich im Sozialen Netzwerk verhalten sollen

Rechtsextreme Nutzer setzen dabei sowohl auf eigene, explizit neonazistische Webseiten, als auch auf populäre Web 2.0-Angebote. Auch die NPD will die Sozialen Netzwerke für ihre Zwecke nutzen - und dass, obwohl die rechtsextreme Partei bei vielen Anbietern unerwünscht ist. Während die etablierten Parteien eigene Profile haben, muss die NPD etwa bei SchülerVZ und StudiVZ draußen bleiben. So bleibt der rechtsextremen Partei nur der Weg über den einzelnen User.

Rechtsextremen Mitgliedern wird empfohlen, auf eindeutig rechte Namen oder rechte Symbolik in Sozialen Nezwerk zu verzichten. Vielmehr sollen sich die rechtsradikalen Nuzer als nette Jugendliche präsentieren. So rät die „Deutsche Stimme“, die Propagandazeitung der NPD: „Das Profil sollte möglichst einen offenen Menschen beschreiben, einen Menschen mit Humor, Beruf, Hobbys, ernstzunehmenden Interessen, Literatur- und Musikgeschmack. Anonyme Nationalisten und in gesellschaftlicher Selbstisolation verharrende Kameraden werden hier nicht benötigt.“ User sollen vielmehr Kontakte knüpfen, viele Nachrichten schreiben und sich an Diskussionen in Gruppen beteiligen.

„Dort sollen die rechtsextremen User erstmal unauffällig mitdiskutieren und dann eine erste spitze Bemerkung setzen. Dies wird langsam immer weiter gesteigert - bis explizit rechtes Gedankengut publiziert wird“, erklärt Michael Wörner-Schappert von Jugendschutz.net. Weiterhin würden rechtsextreme Nutzer versuchen, auf eigene, neonazistische Seiten zu verlinken.

NRW-Kameradschaften sind besonders aktiv

Ein Verfassungsschützer referiert bei einem Schülerkongress zum Thema „Rechtsextremismus im Netz.
Ein Verfassungsschützer referiert bei einem Schülerkongress zum Thema „Rechtsextremismus im Netz. © imago stock&people

Besonders viele davon werden aus NRW bespielt. 2008 gab es laut der Studie von Jugendschutz.net 321 Web-Angebote aus dem Umfeld neonazistischer Kameradschaften. Die meisten davon stammten aus Sachsen, gefolgt von Bayern und Nordrhein-Westfalen. Auch die NPD ist mit fast 200 Auftritten im Netz breit vertreten und teilweise sehr aktiv.

So twittert die Bundespartei für ihre aktuell 319 Follower. Zuletzt wurde am 30. März über die Auslandsreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr „Einknicken“ gegenüber dem türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan berichtet. Auch der NRW-Landesverband der NPD twittert. Die 260 Follower wurden zuletzt über die Demonstrationen in Duisburg-Marxloh und der Aktion „Wir oder Sharia“ informiert, mit dem die Partei explizit Schüler angesprochen hatte.

„Die Ziele, die Rechtsextreme im Web 2.0 verfolgen, sind vielschichtig: Man will etwa seine eigenen Ansichten vertiefen und von anderen Aktivisten Bestätigung erfahren - und neue Mitglieder rekrutieren“, erklärt Michael Wörner-Schappert. Beide Zwecke zugleich erfüllen sollen pseudo-wissenschaftliche Webseiten. „Es gibt professionelle Lexika im Stil von wikipedia, die auf dem ersten Blick nicht als rechtsextrem zu erkennen sind. Dort wird aber die Geschichte relativiert und der Holocaust heruntergespielt oder gar geleugnet.“

Zahl 88 ist kein sicheres Kriterium, um Rechtsextreme zu erkennen

Der Rechtsextremismus-Experte mahnt zur Vorsicht beim Surfen im Internet - aber auch vor voreiligen Schlüssen. So sind Zahlenkombinationen bei rechtsradikalen Usern weiterhin beliebt, etwa die 88. Sie verweist gleich zwei Mal auf den achten Buchstaben im Alphabet : Das H. Das Doppel-H steht in rechten Kreisen für „Heil Hitler“. Dennoch sei die 88 kein verlässliches Kriterium, um einen Rechtsextremen zu erkennen, warnt Wörner-Schappert. „Es könnte auch ein Verweis auf das Geburtsjahr sein“. Ein Indiz und ein Grund zur Vorsicht sei die 88 aber ebenso wie Benutzernamen mit der 18 (A und H für Adolf Hitler) oder 28 (B und H für „Blood & Honour“).

User von Foren oder Sozialen Netzwerken, die den Verdacht haben, andere Nutzer würden rechtsradikales Gedankengut verbreiten, sollten den Verstoß melden. Bei Moderatoren, über „Melde-Buttons“ oder auf Jugendschutz.net.

Online-Beratung als Gegengewicht

„Man sollte sich auf jeden Fall nur dann auf Diskussionen mit Rechtsextremen einlassen, wenn man sich denen gewachsen fühlt“, mahnt Karin Thiemann von der Online-Beratung gegen Rechtsextremismus. Die Experten der Berliner Seite verfolgen das rechte Treiben im Netz - und bieten zum Thema Rechtsextremismus eine anonyme Beratung an. „Wir wollen der steigenden Aktivität der Rechten im Internet etwas entgegensetzen und eine Gegenöffentlichkeit schaffen“, sagt Thiemann.

Per Mail oder im Chat können sich Hilfesuchende an Thiemann und ihre Kollegen wenden. „Uns sprechen vor allem Schüler, Vereinsmitglieder und Lehrer an. Der Bedarf an Hilfe ist groß“, sagt Thiemann. Die Beratungsstelle profitiere vom Internet. Die Hemmschwelle, sich mit fremden Leuten auszutauschen und zu interagieren, sei schließlich geringer als im realen Leben.

Von der geringen Hemmschwelle rechtsradikale Inhalte zu verbreiten und zu konsumieren, profitieren die Rechtsextremen.