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Falsch parken - und doch kein Knöllchen zahlen müssen? Ein Passus in der Straßenverkehrsordnung macht den Kommunen zu schaffen. Demnach sind Verkehrsschilder ungültig, wenn sie nicht aktuellen Gestaltungsvorschriften entsprechen. Duisburg lässt jetzt alle Schilder prüfen.

Die Schilder sind rund, haben eine rot umrandete und durchkreuzte blaue Grundfläche und markieren für Autofahrer eine No-Go-Area: Doch wie endgültig ein absolutes Halteverbot tatsächlich ist, könnte jetzt von der Form der Pfeile abhängen: Sind sie bauchig mit abgerundeten Ecken? Zeigt ein Pfeil gleichzeitig in beide Richtungen, wie es bis 1992 amtliche Gestaltungsvorschrift war? Dann ist das Zeichen seit 1. September 2009 überholt und ungültig. Aber erst jetzt scheinen das die Kommunen tatsächlich zu merken.

Politessen sollen Schilder prüfen

Auf die Pfeile kommt es an: Halteverbotsschild in Herne. Die bauchige Form der Pfeile deutet darauf hin, dass diese Schilder nicht mehr der aktuellen Gestaltung entsprechen.
Auf die Pfeile kommt es an: Halteverbotsschild in Herne. Die bauchige Form der Pfeile deutet darauf hin, dass diese Schilder nicht mehr der aktuellen Gestaltung entsprechen.

„Wir statten unsere Politessen jetzt mit Fotos aus“, erklärt Anja Huntgeburth, Sprecherin der Stadt Duisburg auf Anfrage von DerWesten: „Damit sie alte von aktuellen Verkehrsschildern unterscheiden können.“ Knöllchen sollen vorerst in Duisburg ebenfalls nicht kassiert werden - wenn sie aus den Bereichen stammen, in denen die Halteverbotsschilder nicht der aktuellen Rechtslage entsprechen. Huntgeburth: „Vor den Verwaltungsgerichten würden wir sonst Schiffbruch erleiden.“

Mehrere Tausend Verkehrsschilder könnten bundesweit nun ungültig sein - genau sagen kann das aber niemand. In Duisburg schätzt Stadtsprecherin Huntgeburth, allenfalls einzelne Schilder zu entdecken: „So viele dürften es nicht sein, schon gar nicht in der Innenstadt“. Bei den städtischen Wirtschaftsbetrieben, zuständig für die Schilder-Wartung, geht Sprecherin Silke Kersken von „vielleicht 200 Schildern“ aus, aber „nicht nur Halteverbote“. Die Stadt werde jetzt alle Zeichen überprüfen lassen, heißt es im Rathaus. Ein Austausch wird mit 40 Euro pro Schild inklusive Montage veranschlagt.

Die Stadt Essen will erstmal „abwarten“,erklärt Waldo Dahl, Amtsleiter der Straßenverkehrsbehörde. „Wir fühlen uns nicht unter Druck gesetzt“. Ohnehin sei nicht klar, ob es überhaupt noch viele alte Schilder in der Stadt gibt. Denn die veränderte Gestaltung geht zurück auf das Jahr 1992. Und Verkehrsschilder „werden zumeist nach zehn bis 15 Jahren ersetzt“, erklärt Dahl. Zudem wurde damals eine Austausch-Frist gesetzt: Bis zum Jahr 2002 sollten die Behörden die Schilder auf den neuen Stand bringen. Inwieweit das tatsächlich umgesetzt wurde, weiß aber weder der Städtetag noch das Landesverkehrsministerium.

Bundesverkehrsministerium: „Wir arbeiten an einer Lösung“

Im Ministerium schrillen dennoch derzeit die Alarmglocken: „Wir wollen die alte Regelung wieder zurück“, erklärt ein Sprecher in Düsseldorf auf Anfrage. Eine Initiative aller Bundesländer sei inzwischen auf dem Weg nach Berlin. Denn die Änderung der Rechtsvorschriften geht auf das Bundesverkehrsministerium zurück. Und dort, so heißt es, sei im vergangenen Jahr schlicht „ein Fehler
“ passiert.

Das weist ein Sprecher in Berlin jedoch zurück: Ein Lapsus? Das könnte man so nicht sagen. Auf jeden Fall aber habe man „die Sorgen der Kommunen vernommen“ und arbeite nun „intensiv“ an einer Lösung des Problems.

Knackpunkt ist ein Passus, der in der Straßenverkehrsordnung (StVO) bisher kaum im Blick war: Paragraf 53 Absatz 9. Er besagte bis dato, dass Verkehrsschilder gültig bleiben, selbst wenn sie optisch veraltet sind. Die alten Schilder hätten sogar noch bis ins Jahr 2019 Gültigkeit gehabt. Aber genau dieser Absatz ist in der jüngsten, der 46. StVO-Änderung, weggefallen.

Die Konsequenz: Auch andere Verkehrsschilder sind jetzt streng genommen vorerst nicht mehr gültig, sagt Waldo Dahl. Schilder mit „km“-Angabe zum Beispiel. Oder Überholverbote, auf denen die abgebildeten Piktogramm-Autos auf einem schwarzen Strich stehen.

ADAC rät nicht zur Klage

Über die juristischen Konsequenzen sind sich die Experten jedoch uneins: „Die Gerichte haben da bisher verschieden geurteilt“, sagt Jacqueline Grünewald, Sprecherin des ADAC Nordrhein. Trotzdem, es jetzt auf eine Klage ankommen zu lassen, mag der ADAC nicht empfehlen.

„Wir appellieren an die Verantwortung der Autofahrer“, heißt es bei der Stadt Essen. Bisherige Urteile hätten gezeigt, selbst bei verwitterten oder überwachsenen Schildern hätten klagende Autofahrer meist den Kürzeren gezogen. Waldo Dahl: „Wenn eine Verkehrsregelung eindeutig erkennbar ist, dann ist sie zu beachten.“ In Sachen veralteter Schilder wird jetzt aber die Gültigkeit der Verkehrszeichen insgesamt bezweifelt. Damit ergibt sich „eine andere rechtliche Situation“, meint auch Dahl. Er bleibt aber dennoch entspannt: „Das wird wohl erst geklärt, wenn das erste Gericht entscheidet“.

Ob es soweit kommt, hängt aber davon ab, wie spitzfindig die Autofahrer sind. Bei der Stadt Gelsenkirchen heißt es dazu schlicht: „Wir hatten noch keine Beschwerden.“