Hannover. .

Wer wissen will, was in der Computerindustrie los ist, muss nach Hannover zur Cebit pilgern - so war es früher. Heute steckt die Messe in der tiefsten Krise ihrer 24-jährigen Geschichte. Immer weniger Aussteller, immer weniger Besucher, immer weniger vermietete Hallen.

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag zu ihrem traditionellen Rundgang aufbricht, haben die zuständigen Manager der Messe AG die diesjährige Schau schon abgehakt: Die Messe wurde um einen Tag verkürzt, der weitere Einbruch bei den Besucherzahlen ist damit programmiert. 2011 aber will die Messe mit einem alten Erfolgsrezept reagieren und wieder mehr Privatleute und Endverbraucher anziehen. Diese Gruppe war einst mit einer happigen Erhöhung der Eintrittspreise vergrault worden, damit die Computermanager ungestört ihre Geschäfte machen konnten.

Die Endkunden sollen die Wende bringen

Wie bitter es um die einst größte Messe der Welt steht, zeigte sich am Montag, dem letzten Tag vor der Eröffnung: Früher mussten Hilfspolizisten den wilden Lkw-Verkehr an den Hallen regeln, damit kein Aufbau-Chaos ausbricht. In diesem Jahr gehen die Lieferwagen an den Kreuzungen nicht einmal vom Gas - es kommt sowieso niemand aus den Querstraßen. Viele der gigantischen Hallen stehen leer. Selbst vor einem der größten Cebit-Aussteller machte die Messe-Krise nicht Halt: Die Telekom hat auf milden Druck der Veranstalter ihren angestammten Platz in Halle 26 aufgegeben und zog auf die andere Seite des Messegeländes. So kann die Halle 26 ganz abgeschlossen bleiben, es werden Heizkosten gespart.

Die 1986 gegründete Cebit ist mit 4.157 Ausstellern und 184.000 Quadratmetern inzwischen auf das Niveau des Jahres 1990 zurückgefallen. In guten Jahren, etwa 2005, waren es 6.200 Aussteller und rund 310.000 Quadratmeter. Die Besucherzahl brach auf zuletzt 400.000 ein, nach fast 800.000 in den besten Jahren.

Deutsche IT-Branche abgemeldet

Die Cebit hat mehrere Probleme: Die deutsche IT-Branche ist auf dem Weltmarkt abgemeldet, bei der Software hält nur noch SAP auf Weltebene mit. Auch Trends wie das Web 2.0 kommen nicht aus Deutschland. Warum aber sollte dann die Weltmesse der Industrie hier stattfinden?

Außerdem haben spezialisierte Messen der Cebit viel Geschäft weggenommen: Die Handy-Branche trifft sich zum Mobile World Congress in Barcelona, die Unterhaltungselektronik zur CES in Las Vegas, Trendsetter Apple hat eigene Veranstaltungen, die deutsche Messe für Unterhaltungselektronik ist die IFA in Berlin.

Die Cebit tröstet sich damit, dass einige Weltfirmen 2010 wieder nach Hannover gekommen sind: Google, Amazon, AMD, Ericsson, Motorola oder Telefónica. Nicht gekommen sind aber: Apple, Nokia, Toshiba, Navteq und viele mehr. Und Trendsetter wie Twitter, Facebook oder Youtube haben auch kein Interesse an der Cebit.

Im Herbst hatte der Chef des Branchenverbandes Bitkom, August-Wilhelm Scheer, nach Medienberichten ein Donnerwetter wegen des Niedergangs der Messe losgelassen. Für 2011 soll das Konzept nun völlig umgestellt werden, wie Messesprecher Hartwig von Sass erklärte. Unter dem Dach der Cebit soll es vier Plattformen geben: eine Messe für Geschäftsleute und Profianwender, eine weitere Messe für IT im öffentlichen Dienst, eine Forschungsmesse und die „Cebit Life“ für Endverbraucher.

Insbesondere die „Cebit Life“ soll wieder mehr Besucher anziehen. Das bedeutet einen glatte Rolle rückwärts, denn im Jahr 1995 etwa kamen noch 218.000 Privatbesucher auf die Messe. Doch nach Beschwerden der Aussteller über die vielen Nicht-Profis, wurde die Unterhaltungselektronik in die Sondermesse Cebit Home ausgelagert. Diese Sondermesse wurde 2000 wieder eingestellt. Jetzt soll sie unter neuem Namen aufleben, wie es scheint.