Hannover. .
Margot Käßmann hat ihre Ämter als Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche und hannoversche Landesbischöfin niedergelegt. Sie zieht damit die Konsequenz aus der Debatte um eine Fahrt unter Alkoholeinfluss. Ihr vorläufiger Nachfolger wird Präses Nikolaus Schneider.
Rücktritt nach Fahrt unter Alkoholeinfluss: Margot Käßmann hat am Mittwoch mit sofortiger Wirkung ihre Ämter als Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und als Landesbischöfin von Hannover niedergelegt. Auch wenn sie ihren schweren Fehler bereue, „kann und will ich nicht darüber hinwegsehen, dass das Amt und meine Autorität beschädigt sind“, sagte Käßmann in Hannover. Die EKD-Spitze sprach von einem schweren Verlust für den deutschen Protestantismus. Auch der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, bedauerte Käßmanns Rückzug.
„Respekt und Achtung vor mir selbst“
Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte Käßmann zuvor das Vertrauen ausgesprochen, die Entscheidung über ihren Verbleib an der EKD-Spitze aber ausdrücklich in ihre eigenen Hände gelegt.
Am Dienstag war bekanntgeworden, dass Käßmann am Wochenende mit 1,54 Promille am Steuer ihres Dienstwagens gestoppt worden war, nachdem sie eine rote Ampel ignoriert hatte. Ab 1,1 Promille liegt absolute Fahruntüchtigkeit und eine Straftat vor. Nach Bekanntwerden des Vorfalls war Käßmann unter starken Druck geraten.
Käßmann sagte, sie könne nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben. „Die Freiheit, ethische und politische Herausforderungen zu benennen, hätte ich in Zukunft nicht mehr so, wie ich sie hatte.“ Harsche Kritik, wie an dem Predigtzitat „Nichts ist gut in Afghanistan“, sei nur mit uneingeschränkt anerkannter persönlicher Überzeugungskraft durchzuhalten. Neben dem Amt gehe es ihr aber „auch um Respekt und Achtung vor mir selbst und um meine Gradlinigkeit, die mir viel bedeutet.“ Käßmann bedankte sich bei ihren vier Töchtern, die sie begleitet hatten, und ihren Mitarbeitern. Sie bleibt Pastorin der hannoverschen Landeskirche
Respekt für die Entscheidung
Am Dienstagabend hatten die 14 Ratsmitglieder des EKD-Rats, zu denen auch Käßmann selbst gehört, in einer Telefonkonferenz getagt. Das kirchliche Leitungsgremium sprach seiner Vorsitzenden einmütig das Vertrauen aus, nahm dabei aber keine abschließende Bewertung ihres Verhaltens vor. Man überließ Käßmann die Entscheidung über den Weg, der gemeinsam eingeschlagen werden sollte.
Bis zur Neuwahl, die voraussichtlich bei der Tagung der EKD-Synode im November in Hannover stattfindet, wird Käßmanns Stellvertreter, Präses Nikolaus Schneider, den Vorsitz weiterführen. Schneider und die Präses der EKD-Synode, Katrin Göring-Eckardt, bedauerten zutiefst Käßmanns Rücktritt, der sie auch persönlich sehr schmerze. „Die Gradlinigkeit und Klarheit in ihren theologischen, sozialpolitischen und gesellschaftspolitischen Positionen werden der EKD fehlen.“ Zugleich entspreche die Rücktrittsentscheidung Käßmanns eben dieser Gradlinigkeit, die sie an ihr schätzten.
Bedauern auch in der Politik
Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Zollitsch, drückte sein Bedauern aus. Er habe gerade erst die Zusammenarbeit in gemeinsamen Anliegen beginnen können, erklärte er in Freiburg. Er wünsche Käßmann in dieser schwierigen Stunde Gottes Segen und beziehe sie in seine Gebete ein.
Der Bischof der Evangelischen Landeskirche Sachsen, Jochen Bohl, sprach in der „Leipziger Volkszeitung“ von einem „unglaublich schmerzlichen Verlust“. Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer sagte, Käßmann sei „erst einmal unersetzbar“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm Käßmanns Rücktritt laut Regierungssprecher Ulrich Wilhelm „mit Respekt und Bedauern“ auf. Sie habe die Zusammenarbeit mit Käßmann sehr geschätzt, sagte Merkel. SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte, Käßmanns Rücktritt zeige, „dass sie Verantwortung ohne Wenn und Aber übernimmt“. Grünen-Chef Claudia Roth sieht den Schritt als Beweis für Käßmanns große persönliche Integrität. (apn)