Augsburg. .

Beim Prozess um Karlheinz Schreiber kommen wenig vornehme Praktiken aus Wirtschaft und Politik an den Tag. Die Zeugen Ludwig-Holger Pfahls und Winfried Haastert plaudern über ihr Verhältnis zu dem Rüstungslobbyisten. Die Richter zweifeln an Freundschaftsgeschenken.

Über den Umgangston in den Top-Etagen von Wirtschaft und Politik war am Montag im Augsburger Prozess gegen Karlheinz Schreiber aus erster Hand viel zu erfahren. Der frühere Staatssekretär Ludwig-Holger Pfahls und der einstige Thyssen-Vorstand Winfried Haastert, beide schon rechtskräftig verurteilt, plauderten als Zeugen aus dem Nähkästchen. Pfahls erschien im schwarzen Anzug, mit Einstecktuch und Lackschuhen. Was er dann aber über sein Verhältnis mit dem Rüstungslobbyisten Schreiber zum Besten gab, war wenig vornehm.

Zunächst hatte er als Rüstungsstaatssekretär die Hand aufgehalten. Nach seiner Hilfe bei einem Panzerprojekt in den USA habe ihm Schreiber bei einem Treffen eröffnet: „Gratuliere Dir, jetzt bis du doppelter Millionär!“ Aber auf sein Konto bei der Sparkasse Tegernsee habe ihm der Lobbyist das Schmiergeld nicht überweisen wollen. Deshalb habe Schreiber es in der Schweiz für ihn geparkt. Zum Test habe er ein halbes Jahr später 500.000 Mark verlangt, aber zunächst bloß 250.000, dann noch einmal 123.000 Mark erhalten. Das habe ihn gewundert, bei einem hundertfachen Millionär wie Schreiber, sagte Pfahls. Schließlich habe ihn Schreiber in sein Haus nach Kaufering bestellt, „einen Umschlag auf den Tisch geschmissen und gesagt: Da hast du deine 500.000, und jetzt halt die Schnauze!“

Überzeugende Argumente

Zum Bruch kam es, als Pfahls Daimler-Benz-Manager wurde und aussteigen wollte. Da sei Schreiber richtig ärgerlich geworden und habe gesagt: „Wir sind doch von selbem Schrot und Korn. Wenn wir bezahlt werden, halten wir den Arsch hin und lassen uns ficken.“ Erst später, nach der Durchsuchung seines Hauses am Tegernsee, habe er erfahren, dass Schreiber 3,8 Millionen Mark für ihn gebunkert hatte, auf einem Schweizer Rubrikkonto mit Tarnnamen „Holgart“. „Ich war empört - viel blöder kann man es doch gar nicht anstellen“, sagte Ludwig-Holger Pfahls.

Schreibers Verteidiger Jens Bosbach warf Pfahls Falschaussage vor. Aber Pfahls, der teure Sportwagen, Cohiba-Zigarren und Maßanzüge liebt und mit Abscheu über den Dreck und das Ungeziefer in der Auslieferungshaft in Paris geschildert hatte, führte ein starkes Argument an: Wenn er von Schreiber kein Schmiergeld angenommen hätte, wäre er doch nicht fünf Jahre „auf der Flucht gewesen - unter erbärmlichsten Bedingungen!“ Auch der Vorsitzende Richter Rudolf Weigell meinte, es wäre „erstaunlich, wenn der Zeuge sich selbst belastet und davon kein Wort wahr wäre“.

Eine Million als Freundschaftsgeschenk

Weniger glaubte Weigell dagegen dem früheren Vorstand des Panzer-Herstellers Thyssen, Haastert. Dieser sagte dem Gericht, er habe Millionen-Verträge und Provisionsvereinbarungen mit Firmen vereinbart, die er gar nicht gekannt habe. Zum Beispiel mit den Firmen IAL in Liechtenstein und ATG in Panama, die die Anklage als Briefkastenfirmen Schreibers sieht. „Sie haben für Thyssen einen teuren Vertrag unterschrieben, ohne zu wissen, wer ATG ist?“ fragte der Richter ungläubig nach. „Unser Justiziar sagte, das ist in Ordnung“, antwortete Haastert.

Der Richter wollte auch nicht glauben, dass Schreiber aus reiner Freundschaft und ohne Gegenleistung Millionen an Manager verschenkt habe. Doch, absolut, versicherte Haastert der Strafkammer. Im November 1991 habe er Schreiber in Zürich getroffen und einfach so 1,2 Millionen Mark bekommen: „Zu meiner Überraschung überreichte er mir einen Umschlag mit dem Geld im Savoy-Hotel in der Bahnhofstraße. Er hat alles Gute gewünscht, und das war“s“ sagte Haastert. „Das war wirklich ein Freundschaftsgeschenk!“

Weigell meinte, es sei kein Wunder, dass Haastert noch ein Verfahren wegen Falschaussage am Hals habe und warnte ihn: „Strapazieren Sie das, was wir von ihnen glauben, nicht zu sehr!“ Aber Haastert sagte, auch der ehemalige Thyssen-Chef Bartels habe von Schreiber eine halbe Million bekommen für eine zwölf Meter lange Motorjacht am Mittelmeer. Aus reiner Freundschaft. „Wenn ich Geld von einem Freund bekomme ohne Gegenleistung, dann war das so, auch wenn Sie es sich nicht vorstellen können“, erklärte der Manager den skeptischen Richtern. (apn)