Essen.
Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche wird größer und größer. Mindestens sieben Einrichtungen sehen sich mit neuen Vorwürfen konfrontiert, darunter das renommierte Essener „Franz Sales Haus“, in dem rund 1500 geistig behinderte Menschen betreut werden.
Ein Mann, der gegen Ende der 60er-Jahre dort wohnte, hat sich vor wenigen Tagen Günter Oelscher, dem heutigen Direktor der Einrichtung, anvertraut: „Er hat mir erzählt, dass er damals von einem Angestellten sexuell missbraucht und gedemütigt worden sei“, berichtet Günter Oelscher.
Der Beschuldigte soll kein Geistlicher gewesen sein. Im „Franz Sales Haus“ sind ohnehin keine Geistlichen mit erzieherischen Aufgaben betraut: „Sie lesen die Messe, sonst nichts“, sagt Oelscher. Er hat die Ruhr-Uni Bochum beauftragt, die 50er- und 60er-Jahre des Hauses zu dokumentieren. 2002 war sein Vorgänger zurückgetreten, weil er in seiner Zeit als Kaplan einen Jugendlichen sexuell missbraucht hatte. Seitdem leitet kein Priester mehr das Haus – Oelscher ist Betriebswirt.
Der Missbrauchskandal war im Januar vom Berliner Canisius-Kolleg ausgegangen. Seitdem meldeten sich rund 120 Opfer in ganz Deutschland. Wie der „Spiegel“ nun berichtet, sei es auch in zwei ehemaligen Heimen der „Salesianer Don Boscos“ in Augsburg und Berlin zu Kindesmissbrauch gekommen, ebenfalls betroffen seien ein ehemaliges Kinderheim der Vinzentinerinnen in Oggelsbeuren sowie das Maristen-Internat in Mindelheim und das frühere Franziskaner-Internat in Großkrotzenburg. Die „FR“ nennt einen weiteren Fall im Bonner Internat Sankt Ludwig Kolleg der Franziskaner-Minoriten in den 70er Jahren.
Ministerin schlägt
runden Tisch vor
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) schlug einen Runden Tisch vor, um die Fälle aufzuklären und Opfer zu entschädigen. Hamburgs Erzbischof Werner Thissen bezeichnete den Missbrauchsskandal als „Strukturproblem“ der Kirche. Sie müsse die Aufklärung im Eigeninteresse betreiben, „denn eine Kirche mit morschem Gebälk hat keinen Bestand“.