Bochum. .
Er versucht den Präsidenten des Sudan auf die Anklagebank zu bringen und jagt die Diamantenhändler im Kongo. Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag besuchte eine Bochumer Berufsschule und erklärte seine Arbeit.
Die Zahlen sind schlimm genug, die Luis Moreno Ocampo an die Wand wirft – fast schlimmer ist das Foto dazu. Es sind Zahlen von Toten, Vergewaltigten und Vertriebenen, im Sudan und in Kenia, in Uganda, der Zentralafrikanischen Republik. Im Kongo natürlich, einschlägig bekannt als das Herz der Finsternis, aus dem auch dieses Foto stammt: Ein Jugendlicher richtet eine Kalaschnikow auf den Betrachter, man wünschte sich glatt weg; und auf den Rücken geschnallt trägt der schussbereite Junge einen großen Teddybären. Seht her, ein Kindersoldat!
Seht her, das könntet Ihr sein! Vor Schülern wirbt Luis Moreno Ocampo an diesem Vormittag, er wirbt dafür, Völkermord Völkermord zu nennen und Verbrecher zu verfolgen, auch wenn sie Präsident sind. „Die Welt ist unsere Gemeinschaft!“, sagt der Argentinier etwa, oder: „Eure Generation ist global geboren.“ Zwei Stunden später werden ihn die Schüler der Kaufmännischen Schulen 2 in Bochum-Wattenscheid mit großem Beifall verabschieden, was Menschen eher selten geschieht, deren Arbeitsplatz sich hinter dem Kürzel IStGH ganz gut verbirgt.
Atemloses Publikum
„Internationaler Strafgerichtshof“ in Den Haag. Er verfolgt Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und Moreno Ocampo ist dort der Chefankläger. Zwölf Haftbefehle gegen afrikanische Politiker und Kriegsherren hat er bisher beantragt, vier von ihnen in U-Haft gebracht, erste Prozesse haben begonnen. Besonders spektakulär ist der Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Omar al-Baschir wegen des Krieges in der Provinz Darfur; der Haftbefehl hat zur Folge, das al-Baschir sich jetzt immer genau überlegen muss, in welches Land er überhaupt noch reisen kann, ohne eingekerkert zu werden.
Aber dies ist kein Gerichtssaal, dies ist ein Schulsaal. Vielleicht 150 Jugendliche sind da, hoch aufmerksam, gut vorbereitet und sichtlich atemlos von dem Kurzfilm über ein schwarzafrikanisches Massaker, den sie gerade vorgeführt bekamen: „Was können wir von Deutschland aus tun?“
Weltweit wissen Despoten nun, dass sie verfolgt werden können
Und vorne Moreno Ocampo. 57 Jahre alt, aus einer Offiziersfamilie stammend, Juraprofessor in Buenos Aires; gut aussehend, ein bisschen eitel – Fernsehrichter war er früher auch schon mal. Jetzt hat er das Jackett abgelegt, demonstrativ die Hemdsärmel hochgekrempelt, steht am Mikrofon und redet ein spanisch geprägtes Englisch, aber dafür sehr schnell. „Wir bekämpfen internationale Kriminalität immer noch mit nationalen Mitteln, und das funktioniert nicht gut. Wir brauchen ein globales Justizsystem“, sagt er.
In die Schule geholt hat ihn Sascha Hellen, der Bochumer Impresario mit staunenswerten Verbindungen, der Erfinder der Steiger-Preise, bei deren jährlicher Verleihung Hellen die Prominenz im Dutzend in seine Heimatstadt kübelt. Davon ab auch vereinzelt, wie nun den Argentinier, und dass der mit Jugendlichen über Menschenrechte redet, gab es überhaupt noch nicht. Der Gerichtshof, sagt Moreno Ocampo, werfe „einen positiven Schatten: Wir haben bisher nicht viele Fälle, aber weltweit wissen Despoten nun, dass sie bestraft werden können“. Kolumbiens Guerilla habe viele Kindersoldaten entlassen wegen drohender Strafverfolgung; Jean-Pierre Bemba hat den vor wenigen Jahren undenkbaren Sturz getan von Kongos Vizepräsident zum Angeklagten in Den Haag.
Und dann wieder der Appell. „Wir brauchen junge Leute, die sich engagieren!“ Oder: „Sie können nicht nach Afrika fliegen und Kinder retten. Aber Sie können in Deutschland ihre Meinung sagen, damit Ihr Land sich einsetzt.“ Genaueres regelt die Zukunft. Schüler wie diese.