Duisburg.


Die Abwahl des umstrittenen Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland (CDU) ist politisch offen. In den Ratsfraktionen sind die Fronten längst nicht klar. Und nicht die CDU wäre bei einer Abwahl das ‘Zünglein an der Waage’ - sondern die Grünen.

Schuld oder Verantwortung: Für Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) ist ein Verzicht auf sein OB-Amt mit dem Nachweis persönlicher Schuld verbunden. Eine Sicht, die viele Menschen in der Stadt nach der Loveparade-Katastrophe, bei der 21 Menschen zu Tode kamen, nicht teilen. Für sie soll Sauerland die Verantwortung übernehmen - ungeachtet der Frage, ob ihn tatsächlich persönlich Schuld trifft.

In der Duisburger Politik folgt man allerdings der Argumentation des OBs - nicht nur in Sauerlands Partei. Das ist in den Ratsfraktionen deutlich zu hören. Vieles deutet deshalb darauf hin, dass Adolf Sauerland auch nach einem Abwahlverfahren Oberbürgermeister der Stadt Duisburg bleibt.

50 Ratsmitglieder müssten für die Abwahl Sauerlands stimmen. Insgesamt hat der Rat 74 Abgeordnete - für die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit braucht es allerdings auch mindestens eine Stimme aus der CDU. Dort allerdings lehnt man eine Abwahl bisher ab.

Grüne nehmen Sauerland in Schutz

„Wir wollen eine sachliche Aufklärung und feststellen, wo die Schuld für das Geschehene liegt“, sagt Bürgermeister Benno Lensdorf am Dienstag auf Anfrage von DerWesten. Vorher sei mit der CDU nicht über eine Abwahl des OB zu sprechen. Die Demonstration vor dem Rathaus, bei der der OB von Protestlern gar symbolisch an den Galgen gehängt worden ist, verurteilt Lensdorf. Außerdem wehren sich Partei und Fraktion „entschieden gegen die einseitige Vorverurteilung von Oberbürgermeister Adolf Sauerland“.

Fast die gleichen Worte sind bei den Grünen zu hören: „Es geht um Fakten, was kann man dem OB persönlich vorwerfen“ - erst dann könne man über die Frage befinden, ob der OB im Amt noch tragbar sei, erklärt Ralf Krumpholz, Fraktionsgeschäftsführer der Grünen-Fraktion im Rathaus. Allerdings ist die Partei in Duisburg gespalten: Der Kreisverband rief in einer schriftlichen Erklärtung sowohl den OB als auch seinen Dezernenten Rabe „im Interesse der vielen Betroffenen des Unglücks, aber auch dieser Stadt und letztlich in ihrem eigenen Interesse zum Rücktritt“ auf. Die Grünen-Ratsfraktion wiederum empfahl das Gegenteil: „Jetzt vorschnell Rücktritte zu fordern, hilft den Angehörigen und Freunden der Opfer nicht weiter.“

Auf welche Richtung sich die Grünen einigen, soll sich diesen Mittwoch bei einer eigens einberufenen Fraktionssitzung zeigen, erklärt Ralf Krumpholz: „Möglicherweise geben wir dann ein geschlosseneres Bild ab.“ Dass es auch dazu kommen kann, den OB weiter zu stützen, ist nicht ausgeschlossen. Grund ist die schwarz-grüne Koalition im Stadtrat während der ersten Amtszeit von Adolf Sauerland als OB. „Eine erfolgreiche Zusammenarbeit“ sei das mit der CDU gewesen, sagt Ralf Krumpholz - insbesondere mit OB Sauerland. Da sei es klar, „dass wir jetzt nicht einem vorschnellen politischen Reflex verfallen wollen“.

47 FDP-Fragen an den Oberbürgermeister

Unterdessen hat die Duisburger FDP am Dienstag einen Vorstoß gewagt und eine Sondersitzung für den 30. August beantragt - ergänzt durch einen Fragenkatalog an die Stadtspitze. Inhalt: 47 offene Punkte. Beginnend bei der Frage, wann welche Behörden „welche erforderlichen Genehmigungen für die Loveparade 2010 erteilt“ haben bis zur Erkundigung, ob Lautsprecher in dem Tunnel, an dem die Loveparade-Besucher zu Tode kamen, tatsächlich und von wem für Durchsagen genutzt worden waren.

„Es geht uns um Information, die Stadtspitze hat den Rat bisher noch nicht offiziell informiert, was sie unternimmt und wie der Stand der Dinge ist“, erklärt FDP-Fraktionschef Wilhelm Bies. Einen Termin für die Abwahl Sauerlands mag die FDP jedoch noch nicht vorschlagen, obwohl Bies betont: „Wir unterstützen diese Initiative.“ Dass es am 30. August bereits zum Abwahlverfahren kommt, ist allerdings nicht ausgeschlossen, teilt man in der Verwaltung mit. Voraussetzung: Die Hälfte der Abgeordneten erklärt vorab, dass sie das Abwahlverfahren unterstützt. Das müsste bis Mitte August geschehen, weil die Gemeindeordnung eine 14 Tage-Frist bis zur Abstimmung festlegt.

Nach Einschätzung der Linkspartei ist es unwahrscheinlich, dass die Parteien da für Tempo sorgen. „Die SPD hat uns zwar signalisiert, dass sie ein Abwahlverfahren unterstützt“, erklärt Linkspartei-Fraktionsgeschäftsführerin Ute Abraham. Da aber viele Ratsleute im Urlaub sind, geht sie nicht davon aus, dass die Unterschriften so rasch zusammen kommen.

Ohnehin wäre eine Abstimmung am 30. August für Abraham äußerst ungünstig - wenn es überhaupt laut Gemeindeordnung statthaft ist. Die Sondersitzung, die die FDP beantragt hat, soll ja der Aussprache mit der Verwaltung dienen und helfen, die Schuldfrage zu beantworten. „Uns geht es aber nicht um die persönliche Schuld“, erklärt Ute Abraham. „Der OB“, sagt sie, „hat die politische Verantwortung für das Geschehene zu tragen.“Eine Aussprache im Rat „ist da nicht mehr notwendig“.