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Die Deutschen Bahn droht bei ihrem größten Geschäftsbereich, dem Regionalverkehr, ein Rückschlag. Grund ist das Oberlandesgericht Düsseldorf. Das hat den Vertrag zwischen Bahn und VRR zu S- und Regionalbahnverkehr in NRW für unwirksam erklärt.

Er schien befriedet zu sein, doch jetzt bekommt der Streit zwischen Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und der Deutschen Bahn (DB) um bessere Leistungen im Nah- und Regionalverkehr neues Feuer - aber aus einer neuen Richtung: Der Ende vergangenen Jahres beschlossene Vertrag zwischen Bahn und VRR, der den Betrieb von S-Bahnen und Regionalzügen neu regelt, entspricht nicht dem Vergaberecht. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf jetzt mitgeteilt. Damit folgt das Gericht der Klage des Essener Bahn-Unternehmens Abellio Rail NRW.

Die Richter kritisieren, dass VRR und Bahn ím November vereinbart hatten, dass die Bahn den S-Bahnverkehr, anders als bis dato geregelt, sieben Jahre länger bis zum Jahr 2023 betreiben soll. Statt dessen hätten diese Strecken neu ausgeschrieben werden müssen, teilte der OLG-Vergabesenat mit.

Allerdings hängt es nun vom Bundesgerichtshof ab, endgültig zu entscheiden. Darauf weisen die Düsseldorfer Richter hin. Der Grund: Das OLG Brandenburg war im Jahr 2003 in einem ähnlichen Fall zur gegenteiligen Ansicht gekommen und hatte nachträgliche Veränderungen an bestehenden Verträgen für rechtens erklärt. Nun braucht es ein Grundsatzurteil.

Bisher keine Pflicht zur Ausschreibung im Bahnverkehr

Bisher gibt es im deutschen Recht keine generelle Pflicht zur Ausschreibung von Bahnverkehrsleistungen, erklärt Lothar Ebbers von der Vereinigung ProBahn. So seien in NRW etwa die Linien der Emschertal-Bahn oder der Prignitzer Eisenbahn in den vergangenen Jahren jeweils „im Jahresrythmus verlängert worden“, statt dort neu auszuschreiben. Die Bedeutung eines Urteils für die Bahntochter DB Regio NRW sei enorm, sagt Ebbers: „Der bestehende Vertrag hat ein Volumen von einer Milliarde Euro“.

Die Vereinigung privater Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland, Mofair, drängt auf eine generelle Ausschreibungspflicht. Geschäftsführer Engelbert Recker beklagt die „unheilige Allianz“ von Bahn und dem Land NRW, dass im vergangenen Jahr darauf gedrängt hatte, dass Bahn und VRR ihren Streit beilegen - „zu Lasten Dritter“, sagt Recker, der privaten Eisenbahnunternehmen.

Sollte der BGH der Düsseldorfer Einschätzung folgen, dann könnten das für die Deutsche Bahn enorme Probleme im äußerst einträglichen Geschäftszweig DB Regio bedeuten. Mit 870 Millionen Euro Gewinn vor Steuern im Jahr 2009 ist der Regionalverkehr der einträglichste Geschäftszweig der DB. Zum Vergleich: Im Fernverkehr wurden 141 Millionen Euro operativer Gewinn gemeldet, im Güterbereich DB Schenker Logistics knapp 200 Millionen Euro.

Noch aber zeigt man sich bei der DB nicht beunruhigt. „Wir sind gespannt“, erklärte ein Sprecher am Donnerstag auf Anfrage von DerWesten: „Es geht ja hier erstmal nur um diesen einen Vertrag mit dem VRR“. Der habe zudem das Schienennahverkehrsangebot in NRW „enorm verbessert“, erklärte der Sprecher. So wurde der S-Bahnverkehr Ende vergangenen Jahres neu strukturiert, die DB-Tochter DB Regio NRW kündigte zudem 215 Millionen Euro Investitionen an, unter anderem in 34 neue S-Bahnzüge.

Bahn sieht Neuorganisation bei den RE-Linien ab Ende 2010 nicht gefährdet

Wie auch immer der BGH entscheide, „die Neuorganisation bei den RE-Linien wird davon nicht betroffen sein“, versichert der Bahn-Sprecher. So soll es zum nächsten Fahrplanwechsel im Dezember auch Verbesserungen im Regionalzug-Verkehr geben. Unter anderem ist erstmals eine direkte RE-Verbindung zwischen Münster und Düsseldorf über Recklinghausen geplant (Linie RE 2). Die Züge der Linien RE 1 und RE 5 sollen um jeweils einen Waggon verlängert werden, dazu sollen auch stärkere Lokomotiven angeschafft werden, damit die Züge den Fahrplan besser einhalten können.

Beim VRR kommentiert man die OLG-Mitteilung aus Düsseldorf mit gemischten Gefühlen. So hatte der Verkehrsverbund im Jahr 2007 den bestehenden Vertrag mit der Bahn gekündigt. Begründung: Die Bahn bringe „auf vielen Linien seit Monaten anhaltend schlechte Leistungen und kann auch nach mehrmaliger Aufforderung des VRR die Probleme nicht lösen“. Eine Kündigung des Vertrags hatte damals das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen auf Klage der DB verhindert.

Würde der BGH nun dafür sorgen, dass der im November 2009 vereinbarte Kompromiss hinfällig wäre, wäre der VRR bereits zum Jahr 2016 beim S-Bahnverkehr nicht mehr an die Bahn gebunden und müsste bzw. könnte die Strecken neu ausschreiben. Oder man aktiviert die damals ‘ruhend gestellte’ Berufung gegen das Gelsenkirchener Urteil - und könnte womöglich auch im Regionalverkehr ganz neue Bedingungen per Ausschreibung diktieren.

Andererseits sieht auch VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik, dass der „Einigungsvertrag“ vom vergangenen November den Kunden einige Verbesserungen beschert - mehr Pünktlichkeit auf den Linien und vor allem viele neue Züge; darunter etwa S-Bahnen mit funktionierender Klimaanlage.

Die Eisenbahn-Gewerkschaft Transnet befürchtet unterdessen Schlimmes, sollte der BGH tatsächlich auf mehr Wettbewerb auf der Schiene drängen. „Wir hoffen, dass das Gericht nicht pro Abellio entscheidet“, meint Gewerkschaftssekretär Helmut Peters. Für ihn wäre es „das schlimmste Szenario, wenn alle Regelungen in diesem Vertrag rückabgewickelt werden müssten“.