Berlin. .
“Der will nur die Kohle“. In der Linkspartei hängt der Haussegen schief. Betrugsvorwürfe und Raffgier-Verdacht schwächen die Autorität des Linksparteichefs Klaus Ernst.
Die Gegend um den „Wilden Kaiser“ ist wahrlich ein schönes Fleckchen Erde. Seit über 20 Jahren tankt der langjährige Gewerkschafter und neue Linksparteichef Klaus Ernst hier oben in den österreichischen Alpen bei Ellmau Kraft für die Niederungen des Alltags. In diesem Sommer will sich die Erholung gleichwohl nicht richtig einstellen.
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den 55-jährigen Volkswirt wegen des Verdachts auf Untreue und Betrug. Geprüft wird, ob der Abgeordnete unrechtmäßig Reisekosten über den Bundestag abgerechnet hat. Es geht es um mehrere Flüge zu Aufsichtsratssitzungen von Firmen und Gewerkschafts-Meetings 2007 und 2009.
In einem Schreiben an die rumorende Parteibasis wehrt sich Ernst gegen die „politische Instrumentalisierung“ des Vorgangs und stellt fest: „Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe mich in keiner Weise persönlich bereichert und sehe dem Ergebnis der Untersuchung gelassen entgegen.“ Eine Erklärung, die nicht überall verfängt. Linkspartei-Kreisverbände wie die in Ravensburg und Sigmaringen verlangten sogar den sofortigen Rücktritt. Begründung: Ernst werde mit Blick auf das üppige Landtagswahljahr 2011 zur Belastung.
Der Parteivorstand der Linken will davon nichts wissen. Einmütig sprach man dem bald in Berlin zurück erwarteten Ernst am Montag „unsere Solidarität“ aus, wie es seine Co-Vorsitzende Gesine Lötzsch formulierte; verbunden mit der Hoffnung, dass die Vorwürfe zügig entkräften werden. Gelänge dies, wäre eine Baustelle wohl befriedet. Und was ist mit der anderen?
Haussegen hängt schief
Seit öffentlich breit diskutiert wird, dass der im Mai zum Parteichef gewählte Ernst monatlich neben seiner Diät von 7688 Euro als Abgeordneter und einem Extra-Obolus von 1913 Euro aus der Bundestagsfraktion auch noch 3500 Euro für seine Tätigkeit als Parteichef erhält, hängt bei der Linken der Haussegen schief. Was vor allem daran liegen könnte, dass ausgerechnet Co-Chefin Gesine Lötzsch auf die besagte Summe sehr bewusst verzichtet. „Ich übe das ehrenamtlich aus, weil ich kein Interesse an einem Arbeitsvertrag mit der Partei habe“, sagte Lötzsch und verwies auf ein ruhendes Arbeitsverhältnis an der Berliner Humboldt-Universität. Hat Ernst auch nicht, spötteln Parteifreunde hinter vorgehaltener Hand, „der will nur die Kohle“. Dass die vorherige Parteispitze es ebenso gehandhabt hat – Lothar Bisky bezog als Vorsitzende die 3500 Euro, Oskar Lafontaine verzichtete – , blenden die Anti-Ernst-Jünger zuweilen aus.
Zum versteckten Bereicherungsvorwurf aus den eigenen Reihen gesellt sich gern der Hinweis, dass Ernst ein leidenschaftlicher Porsche 911-Fahrer ist und manchmal Sätze wie diesen abschießt: „Wir predigen nicht nur Wein, wir trinken ihn auch.“ Bislang bügelte der fürs frohsinnig Burschikose bekannte IG Metaller interne Anflüge von Neid und Missgunst mit offensiver Hemdsärmeligkeit ab. Diesmal, sagen Vertraute, sei ihm eine „gewisse Nervosität“ nicht abzusprechen. Zumal sich immer mehr Parteigänger aus der Deckung wagen und die Autorität des Chefs ankratzen. Wulf Gallert, Sachsen-Anhalts Linke-Fraktionschef, sagte in einem Radio-Interview, eine Zulage als Parteivorsitzender könne durchaus ihre Berechtigung haben. „Die Sache fängt erst dann an, wirklich schwierig zu werden, wenn sich mehrere solcher Zulagen doppeln. Da muss man jetzt wirklich mal schauen, ob das der Fall ist.“
Steffen Bockhahn, Vorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, sieht die Gefahr, dass die Spenden an die Linke zurückgehen werden, weil die Menschen die Mehrfach-Alimentierung einzelner nicht mehr nachvollziehen könnt.