München. .

Die schärfere Ahndung von systematischem Telefonbetrug fordert hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) verlangt. „Es handelt sich bei solchen Anrufen ganz klar um strafbares Verhalten“, sagte sie der „Süddeutschen Zeitung“.

Es geht um telefonische „Gewinnbenachrichtigungen“, bei denen eine Computerstimme den Angerufenen zu einem wertvollen Gewinn gratuliert. Um diesen tatsächlich zu erhalten, müssten sie eine teure 0900-Nummer anrufen, um dort die Übergabedetails zu erfahren. Die Ministerin will nun rasche Aufklärung darüber, warum die Täter nicht zur Rechenschaft gezogen werden. „Ich fordere von den Landesjustizministern eine schnellstmögliche Bestandsaufnahme über Zahl und Ursache eingestellter Verfahren wegen Telefonbetrug“, sagte sie.

Die Bundesnetzagentur hatte in einem internen Bericht beklagt, dass Polizei und Staatsanwaltschaften in diesen Fällen nur selten durchgriffen. Die Behörde mit Sitz in Bonn ist dem Bundeswirtschaftsministerium zugeordnet. Sie kontrolliert die Telekommunikationsbranche sowie Bahn, Post und den Strom- und Gasmarkt. Dem Bericht zufolge gingen bei ihr von Januar bis April 2010 mehr als 66.000 Beschwerden wegen Telefon-Betrügereien ein, bei 35.000 davon geht es um Betrügereien mit 0900-Nummern. Das sei ein neuer Rekord: In den ersten vier Monaten des Vorjahres hatte es demnach nur 14.000 Eingaben gegeben.

„Faktisch keine Strafverfolgung“

Nach Darstellung der Aufsichtsbehörde gibt es immer mehr Fälle, bei denen kriminell agierende Firmen mit Hilfe von Sprachcomputern massenweise Verbraucher anrufen und ihnen per Bandansage mitteilen, sie hätten ein wertvolles Auto gewonnen. Um den Gewinn einzulösen, müsse eine 0900-Servicenummer gewählt werden. Wer das befolgt, landet aber in teuren Warteschleifen und wird mit hohen Telefongebühren belastet, statt das erhoffte Auto zu bekommen. Die hinter dem Betrug steckenden Firmen agierten im großen Stil und „mit erheblicher krimineller Energie“.

An die mutmaßlichen Täter kommt die Netzagentur dem Bericht zufolge meist gar nicht heran. Viele Hintermänner säßen im Ausland, wo sie Scheinfirmen gegründet hätten. Versuche, Bußgelder zu vollstrecken, liefen regelmäßig „ins Leere“. Zudem beklagt die Bundesnetzagentur in ihrem Bericht laut „SZ“ auch das mangelnde und unkoordinierte Durchgreifen von Polizei und Justiz: Selbst bei großen Betrugsfällen finde „faktisch keine Strafverfolgung statt“. Viele Ermittlungsverfahren würden „sanktionslos“ eingestellt - dies sei eine „untragbare Situation“. Nach Darstellung der SZ fordert sie die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft, die bundesweit gegen den Telefonbetrug vorgehen soll.

Länder müssen einschreiten

Leutheusser-Schnarrenberger wies darauf hin, dass „etwaige Defizite im Vollzug und bei der Strafverfolgung in unserem föderalen System eindeutig Ländersache“ seien. „Da brauchen die Länder keine Nachhilfe aus Berlin.“

Auch bei unerlaubten Werbeanrufen hatte die Bundesnetzagentur eine deutliche Zunahme verzeichnet. Mit diesen Anrufen versuchen Unternehmen, Verbraucher am Telefon zum Abschluss eines Vertrags zu bewegen. Sie sind im Gegensatz zum Telefonbetrug keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit.

Verbraucherschutz wird überprüft

Vor einem Jahr hatte die große Koalition die Vorschriften verschärft. Das damals verabschiedete Gesetz wird derzeit im Bundesjustizministerium auf seine Wirksamkeit überprüft. „Wenn sich bei der Evaluierung herausstellt, dass das Gesetz zu zahnlos ist und deutliche Defizite beim Verbraucherschutz aufweist, dann müssen wir selbstverständlich Vorschläge zur Nachbesserung diskutieren“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der Zeitung. afp