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Metalldiebe treiben verstärkt ihr Unwesen. Bahnleitungen, Dachrinnen und selbst Blumenkübel sind vor ihnen nicht sicher. NRW ist ein Schwerpunkt des Metallklaus, klagt die Bahn. Die Polizei jagt die Täter mit unterschiedlichem Erfolg.
Selten sind Auswirkungen so immens, wie in diesem Fall. Vor wenigen Wochen bremsten Metalldiebe den ICE-Verkehr auf der Strecke Berlin - Hannover vollständig aus. Drei Stunden ging im morgendlichen Berufsverkehr gar nichts. Der oder die Täter hatten in der Nacht sage und schreibe 800 Meter Kabel von den Oberleitungen gestohlen. Ein in dieser Dimension zwar herausragender Fall aber längst keine Ausnahme. Denn Metalldiebe sind seit einigen Monaten wieder besonders aktiv. Häufig wird die Deutsche Bahn heimgesucht. Schließlich liegt bei ihr das Material unter freiem Himmel - in Schienen und Oberleitungen auf 34.000 Kilometer Länge.
Der Schaden, der der Deutschen Bahn entsteht, ist erheblich. 2008 ging er in den zweistelligen Millionenbereich, sagte ein Sprecher gegenüber DerWesten.
Aber selbst kleine „Fische“ sind vor den Dieben nicht mehr sicher. In manchen Orten verschwinden derzeit vermehrt Teile von Dachrinnen an Häusern, Zäunen und selbst Blumenkübel aus den Vorgärten. Selbst auf die Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke in Köln hatten es dreiste Diebe kürzlich abgesehen.
2010 wohl neuer Rekord
Die Zahl der Buntmetalldiebstähle bewegt sich dieses Jahr in NRW auf einen neuen Rekord zu. Das zeigt die Statistik der Bundespolizei in Sankt Augustin. Die Bundespolizei, die für Diebstähle an Bahnanlagen zuständig ist, zählte bis Ende Mai 157 Fälle in Nordrhein-Westfalen. Das sind fast so viele, wie im gesamten letzten Jahr. Hält der Trend an, könnte das bisherige Rekordjahr 2008 getoppt werden, als Diebe in 430 Fällen zuschlugen. 2008 hatte die Bundespolizei zum ersten Mal begonnen, Buntmetalldiebstähle gesondert zu zählen, weil der Klau grassierte. NRW ist neben dem Nordosten der Republik ein Schwerpunkt bei Metalldiebstählen, so die Bahn.
Vor allem auf Kupfer haben es die Täter abgesehen. Denn der Preis für Kupfer hat sich nach einer Schwächephase 2009 wieder deutlich erholt. An der Londoner Metall Börse LME wird die Tonne Kupfer derzeit für knapp 5300 Euro gehandelt. Der Preis liegt damit fast doppelt so hoch im Vergleich zu Anfang 2009. Vor allem der ungebrochene Rohstoffbedarf in Asien lässt die Preise derzeit wieder anziehen, so die Wirtschaftsvereinigung Metalle. Aber auch Spekulanten haben ihren Anteil daran, dass der Preis nach oben schnellt.
Damit entwickelt sich Kupferklau wieder zu einem einträglichen Nebenverdienst. Meist sind es Einzeltäter oder kleinere Gruppen. Von organisierter Kriminalität will die Polizei nicht sprechen. Sie räumt jedoch ein, dass es schwierig ist, die Täter dingfest zu machen. „Oft gelingt das nur, wenn wir sie auf frischer Tat erwischen“, sagt der Sprecher der Bundespolizei in Sankt Augustin, Günter Ahr.
Abschreckendes Urteil
Wie in diesem Fall in Dortmund: Dort überraschten die Bundespolizisten einen 49-Jährigen an den Bahngleisen. Seine Ausrede, er wolle nur Äste schneiden, überzeugte die Polizisten nicht. Sein Gepäck deutete auf eine ganz andere Beute hin. Neben einer Astschere hatte der Mann eine Bügelsäge, Teppichmesser, Schraubenzieher, Stemmeisen, Hammer dabei - die typische Ausrüstung für einen Kupferdieb. Dumm außerdem: Er stand bereits inmitten klein geschnittener Kupferkabel. Nun muss er sich wegen Buntmetalldiebstahls vor Gericht verantworten.
Einen bedeutenden Schlag gegen eine ganze Bande gelang der Bundespolizei im Sommer 2008. Sie nahm nach einjährigen Ermittlungen vier Männer fest. Sie hatten vor allem in Dortmund und Hagen ihr Unwesen getrieben. Die Polizei konnte nachweisen, dass die Bande mindestens 30 Tonnen Buntmetalle gestohlen hatte - der Schaden ging in die Hunderttausende. Im April 2010 wurden die Männer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Ein anderes Urteil vor wenigen Wochen sorgte ebenfalls für Aufmerksamkeit. Das Amtsgericht Köln verurteilte einen Kupferdieb nicht nur wegen Diebstahls sondern erstmals auch wegen des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr. Er hatte ein Erdungskabel aus den Bahngleisen geschnitten. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass der Mann damit auch Menschenleben in Gefahr hätte bringen können. „Von solchen Urteilen erhoffen wir uns eine gewisse Symbolwirkung“, meint Ahr.
Ein anderer Versuch, die Diebe besser dingfest, ist indes fehlgeschlagen. Dabei hatte die Polizei auf die Mithilfe der Schrotthändler gesetzt. Sie suchte viele Händler auf, und gab ihnen Flyer an die Hand, woran sie geklautes Bahnmaterial erkennen können. Schließlich machen sich auch die Händler strafbar, wenn sie gestohlenes Material annehmen. Doch Hinweise von den Schrottplätzen bekam die Polizei bislang nicht. „Die sehen wohl nur ihr Geschäft“, meint Ahr.