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Deutsche Chefetagen sind oft immer noch reine Männerclubs. Doch jetzt erhöht die Politik den Druck und bringt erneut Frauenquoten ins Gespräch. NRW-Unternehmen lehnen das ab. Doch vielleicht könnte die Zeit das Problem lösen.
Das Bild ist immer ähnlich. Wählt man die Rubrik „Vorstand“ auf der Internetseite eines beliebigen Großunternehmens in Deutschland, erscheint eine Reihe von Porträt-Aufnahmen. Sie zeigen fast nur Männer, meist im mittleren Alter, stets in Anzug und Krawatte. Männer, deren Gesichtsausdruck und Haltung Seriosität und Kompetenz verströmen sollen. Auch die Liste der Aufsichtsräte sieht kaum anders aus. Nur vereinzelt sind darauf weibliche Namen zu finden. Die Botschaft ist klar: An der Spitze der deutschen Wirtschaft ist kaum Platz für Frauen. Es ist, wie es immer war. Doch wird es auch so bleiben?
Die Debatte über eine gesetzliche Frauenquote ist erneut entbrannt. Vor wenigen Tagen haben sich die Justizminister der Länder dafür stark gemacht. Eine Arbeitsgruppe soll bis Anfang 2011 die Voraussetzungen für eine gesetzlich verordnete Quote für Vorstände und Aufsichtsräte prüfen. Auch Familienministerin Kristina Schröder setzt sich dafür ein, dass 20 Prozent der Führungsposten in der Wirtschaft bis 2015 mit Frauen besetzt werden. Sie baut jedoch auf die Freiwilligkeit der Unternehmen. Eine gesetzliche Quote darf nur das allerletzte Mittel sein, sagt die CDU-Politikerin. Dass Freiwilligkeit funktionieren kann, beweist die Telekom. Der Bonner Konzern ist Anfang des Jahres vorgeprescht, hat sich selbst eine Frauenquote verordnet. Bis 2015 soll ein Drittel aller Führungsposten mit Frauen besetzt sein. Die Telekom blieb bislang ein recht einsamer Vorreiter.
Qualität und Quote – ein Gegensatz?
Viele Unternehmen sind gegen eine Frauenquote. Auch bei Großkonzernen in NRW stößt die Debatte auf Ablehnung. „Eine Quote wie bei der Telekom ist uns zu starr“, sagt Martin Pack, Sprecher des Essener Energiekonzerns RWE. „Wir setzten auf die Fähigkeiten der Mitarbeit, unabhängig vom Geschlecht.“ Bei Henkel in Düsseldorf heißt es: „Wir fördern ausschließlich nach Leistung und Qualifikation.“ Qualität und Quote – das sind in den Augen der Gegner zwei Faktoren, die einander ausschließen.
Auch beim Stahlkonzern Thyssen-Krupp ist man gegen eine Frauenquote und beruft sich dabei auf den Gleichbehandlungsgrundsatz: „Thyssen-Krupp fördert und entwickelt weibliche und männliche Mitarbeiter gleichermaßen“, sagt Konzernsprecher Jürgen Claassen. Das sei gerade in einem so technisch ausgerichteten Unternehmen notwendig, da die Zahl der Studentinnen technischer Studiengänge im Vergleich zu ihren männlichen Kommilitonen sehr niedrig sei.
Beim Energiekonzern Eon sitzt seit kurzem mit Regine Stachelhaus die erste Frau im Vorstand. Das sei bereits ein „erster wichtiger Schritt mit Signalwirkung“, teilt das Unternehmen mit. Bei Eon gebe es das klare Ziel, den Anteil der Frauen in Führungspositionen von derzeit 12 Prozent weiter zu erhöhen. Konkrete Zahlen werden jedoch nicht genannt. Das entspricht der Haltung der Mehrheit. Laut einer Umfrage der „Wirtschaftswoche“ unter 160 großen Firmen in Deutschland lehnen 84 Prozent eine Frauenquote ab, 15 Prozent sind unentschieden. Die Unternehmen wollen sich nicht festlegen – aber erst recht nicht festlegen lassen.
„Diese Frauen hätten kaum Rückhalt im Unternehmen“
Dass die Politik Entscheidungen der Wirtschaft nicht beeinflussen darf, gilt als beinahe heiliger Grundsatz. Wer die Unternehmen zwinge, schade damit letztendlich auch den Frauen, lautet deshalb ein weiteres Argument gegen die Frauenquote. „Gesetzlich festgelegte Quoten bergen die Gefahr, dass Frauen in Führungspositionen zu ‚Quotenfrauen’ abgestempelt werden“, teilt Eon mit. Auch Experten warnen vor staatlicher Einmischung: „Diese Frauen hätten kaum Rückhalt im Unternehmen und müssten sich doppelt beweisen“, sagt Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen statt dessen auf das so genannte „Diversity“-Modell gesetzt. Frauen werden gefördert wie andere benachteiligte Gruppen, etwa Migranten oder Behinderte. In beinahe jedem Konzern gibt es Mentorenprogramme und Netzwerke für Frauen. Doch die Zahlen sind weiter alarmierend: Lediglich 2,5 Prozent der Vorstandsmitglieder der 200 größten deutschen Unternehmen sind Frauen. In Zahlen sind das 21 von 833 Vorstandsposten. In den Aufsichtsräten sieht die Lage ein bisschen besser aus. Doch auch hier stagniert der Frauenanteil in den Top-200-Unternehmen bei zehn Prozent. Dabei sind Frauen inzwischen mindestens genau so qualifiziert wie Männer. Im Fach BWL liegt ihr Anteil bei 45 Prozent.
Die jahrelangen Maßnahmen zur Förderung von Frauen haben keinen durchschlagenden Erfolg gebracht, sagt Mechthilde Maier, Leiterin Group Diversity Management bei der Telekom. „Wir haben uns nur im Promille-Bereich voranbewegt. Deshalb haben wir beschlossen, uns jetzt verbindliche Ziele zu setzen.“
Männer stellen Männer ein
Gleichberechtigung mit Daumenschrauben. Ist das nötig? Warum gelingt es Frauen so selten, auch ohne Quote nach oben zu kommen? Telekom-Personalvorstand Thomas Sattelberger macht hierfür „Old-Boys-Netzwerke“ verantwortlich. Sie würden nach wie vor verhindern, dass Frauen sich durchsetzen. Er spricht von „homosozialer Reproduktion“. Die Verantwortlichen wählen Bewerber aus, die ihnen vertraut sind. Männer stellen Männer ein. Karrierefrauen würden dagegen häufig in traditionelle männliche Managerrollen hineingedrängt. „Wie wollen aber, dass Frauen bei uns Karriere machen und dabei Frauen bleiben können“, sagt Maier. „Sie sollen ihren spezifischen weiblichen Managementstil vielmehr in die Führungsteams einbringen.“ Frauen würden in der Regel teamorientierter denken und für die Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter sorgen.
Zudem könnte sich die Frauenquote für die Telekom auszahlen: Laut einer McKinsey-Studie erwirtschafteten Unternehmen mit hohem Frauenanteil im Top-Management 48 Prozent mehr Gewinn, auch der Aktienkurs soll schneller gewachsen sein. In anderen Ländern sind die Frauen bereits dank der Quote auf dem Vormarsch. Norwegen hat seit 2008 festgelegt, dass 40 Prozent aller Aufsichtsräte Frauen sein müssen. Frankreich, Spanien und die Niederlande haben sich für ähnliche Modelle entschieden.
Die Umsetzung der Frauenquote bei der Telekom folgt einem Plan, der von der Rekrutierung des Nachwuchses bis zur Besetzung von Top-Positionen greifen soll. So soll der Anteil der Nachwuchskräfte mindestens so hoch sein, wie der Frauenanteil der Hochschulabsolventinnen im jeweiligen Fach, in technischen Studiengängen sogar doppelt so hoch. Auf der Besetzungsliste für Spitzenposten sollen zudem mindestens ein Drittel Frauen stehen.
Kind oder Karriere
„Das geht zu schnell“, sagt Werner Eichhorst vom Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Er sieht die Gefahr, dass es gegenwärtig gar nicht genug Frauen für diese Top-Stellen gibt. Der Grund: Noch immer seien die Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht erfüllt, sagt Eichhorst. Arbeitsmarktexpertin Flüter-Hoffmann sieht das ähnlich. In der Gruppe der Unter-30-Jährigen hätten die jungen Frauen bereits aufgeholt, doch dann würden sie immer noch vor die Wahl gestellt: Kind oder Karriere. Deshalb sei eine Quote nur dann sinnvoll, wenn auch die Rahmenbedingungen geschaffen würden. Und dann kommen sie wieder, die Pläne, die gut klingen, aber in Deutschland offenbar schwer durchzusetzen sind: mehr Betreuung für Unter-Dreijährige, Teilzeitmodelle für Führungskräfte und die Bereitschaft der Männer, sich an Familienaufgaben zu beteiligen. Das klingt, als müssten die Frauen noch einen weiten, mühsamen Weg gehen.
Doch vielleicht kommt ihnen die wirtschaftliche Entwicklung doch ein Stückchen entgegen. Denn die Experten gehen davon aus, dass sich das Problem vielleicht von selbst lösen könnte. Spätestens wenn Fachkräftemangel und demografischer Wandel in ein paar Jahren dramatisch werden, könnten sich die Unternehmen nicht mehr leisten, auf qualifizierte Arbeitnehmerinnen zu verzichten, sagt Eichhorst. „Dann wird die Förderung von Frauen zur Frage des betrieblichen Überlebens.“ Irgendwann können die Männer einfach nicht mehr unter sich bleiben.