Berlin/Stockholm.

Auch am Mittwoch ebbte die Welle Empörung über den israelischen Angriff auf einen Hilfskonvoi im Mittelmeer nicht ab.

Der schwedische Bestsellerautor Henning Mankel, der sich an Bord des attackierten Schiffes befunden hatte, pragerte das gewaltsame Vorgehen der Israelis bei ihrem Angriff auf die pro-palästinensische Hilfsflotte an. „Was wird im kommenden Jahr passieren, wenn wir mit hunderten Booten zurückkehren? Werden sie dann eine Atombombe zünden?“, fragte Mankell bei seiner Rückkehr aus Israel laut einer Meldung der Nachrichtenagentur TT. Israel sei aufgrund seines Vorgehens nun „total isoliert“, sagte der Schöpfer des Kommissars Wallander in Göteborg. „Die Leute haben die Brutaliät und die Gewalt komplett satt, die diese Macht auf dem Gewissen hat.“ Mankell war einer von elf Schweden, die an Bord der sechs Schiffe der Gaza-Flottille waren.

Nach dem Angriff der israelischen Armee auf einen Hilfskonvoi im Mittelmeer hat aber auch Israels Botschafter in Deutschland die Teilnahme von Abgeordneten der Linkspartei an der Hilfsflotte für Gaza kritisiert.

Yoram Ben-Zeev, der israelische Botschafter in Deutschland, sagte laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Absicht bestand nicht in humanitärer Hilfe, sondern darin, die Blockade zu brechen.“ Nur so sei zu erklären, warum die Aktivisten das Angebot ausgeschlagen hätten, die Hilfslieferungen im Hafen von Aschdod löschen und unter Aufsicht nach Gaza bringen zu lassen.

Von den deutschen Abgeordneten habe er kein Wort „über die 8.000 Raketen gehört, die von Gaza auf Israel abgefeuert wurden“, kritisierte Ben-Zeev weiter. Mit Linken-Fraktionschef Gregor Gysi will er sich demnach noch heute treffen.

Groth fürchtet Vertuschung des Vorfalls

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Annette Groth, die sich an Bord des angegriffenen Schiffes befunden hatte und am Dienstag mit vier Landesleuten nach Deutschland zurückgekehrt war, befürchtet indes die Vertuschung des Vorfalls. Sollten auf den Schiffen Waffen gefunden werden, seien diese von israelischen Soldaten dort platziert worden, sagte Groth am Mittwoch im ZDF-“Morgenmagazin“. „Denn man muss ja irgendwie eine Entschuldigung präsentieren für dieses Massaker, was da an Bord stattgefunden hat. Ich kann es mir nicht vorstellen, dass da irgendwelche Waffen gewesen sind“, sagte Groth, die den Konvoi mit zehn weiteren Deutschen begleitet hatte. Die Politikerin befand sich nach eigener Auskunft zum Zeitpunkt des Angriffs unter Deck und hatte davon zunächst nichts mitbekommen.

Groth widersprach auch Vorwürfen, die Besatzung des Schiffes habe einen israelischen Soldaten über Bord geworfen. Entsprechendes Videomaterial sei offenbar manipuliert worden, sagte sie. Groth forderte, die Verantwortlichen des Angriffs zu bestrafen. Zudem müssten alle Hilfsgüter des Konvois Gaza erreichen.

Alle ausländischen Aktivisten sollen abgeschoben werden

Kritik an dem israelischen Militäreinsatz, bei dem mindestens neun pro-palästinensische Aktivisten getötet wurden, wies der israelische Botschafter zurück. Die Soldaten hätten „absolut legitim nach internationalem Recht“ gehandelt. Der tödliche Zwischenfall belaste seiner Ansicht nach auch das Verhältnis zur Bundesregierung nicht. „Wir haben vollständiges Vertrauen zu Deutschland“, wird Ben-Zeev zitiert.

Alle ausländischen Aktivisten, die von den israelischen Streitkräften beim Entern des Hilfskonvois festgesetzt wurden, sollen abgeschoben werden. Dies teilte die israelische Regierung gestern mit. Die Entscheidung sei vom Sicherheitskabinett getroffen worden, das sieben Minister der Regierung umfasst. Nach Angaben des israelischen Militärrundfunks sollen die Abschiebungen bis Donnerstag abgeschlossen werden.

Mehr als 120 abgeschobene Aktivisten der Hilfsflotte für den Gazastreifen sind bereits in Jordanien eingetroffen. Die 124 Personen aus zwölf muslimischen Ländern waren nach der israelischen Militäraktion überquerten am frühen Morgenmorgen mit zwölf Bussen die Allenby-Brücke über den Jordan. Die Brücke steht unter israelischer Kontrolle und verbindet das Westjordanland mit Jordanien.

Obama spricht Erdogan sein Beileid aus

Unterdessen hat US-Präsident Barack Obama dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan sein Beileid ausgesprochen. Obama habe in einem Telefonat am Dienstag „die Unterstützung der USA für eine glaubwürdige, unparteiische und transparente Untersuchung der Fakten im Zusammenhang mit dieser Tragödie bekräftigt“, hieß es in einer Erklärung des Weißen Hauses.

Obama habe außerdem betont, „dass bessere Mittel und Wege gefunden werden müssten, um der Bevölkerung von Gaza humanitäre Unterstützung zukommen zu lassen, ohne Israels Sicherheit zu gefährden“. Erdogan hatte die Aktion der israelischen Marine in einer wütenden Rede als „blutiges Massaker“ bezeichnet. Die ohnehin gespannten Beziehungen zwischen der Türkei und Israel sind seit dem Vorfall an einem neuen Tiefpunkt angelangt.

Neun Tote und 55 Verletzte

Ein israelisches Marinekommando hatte am Montagmorgen ein türkisches Schiff des mehrere Boote umfassenden Verbandes gestürmt. Dabei waren neun Menschen getötet worden. Der Schiffskonvoi wollte Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen, der von Israel seit der Machtübernahme der radikalislamischen Organisation Hamas im Sommer 2007 blockiert wird. Nach israelischen Angaben wurden neun Menschen getötet und sieben israelische Soldaten verletzt. Auch 48 Passagiere seien verletzt worden, meldete der Militärrundfunk. Die Streitkräfte hatten hunderte der Aktivisten von Bord der Schiffe und in ein Gefängnis gebracht. Die israelische Militäreinsatz war weltweit auf charfe Kritik gestoßen. (Afp/ap/ddp)