Berlin.

Ausgerechnet die FDP rüttelt wieder an der Mehrwertsteuersenkung für Hotels und bringt so die Kanzlerin in Bedrängnis. Im Koalitionsausschuss machte sich Merkel Luft.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat in der Koalition neuen Streit über die Reform der Mehrwertsteuersätze entfacht. Im Koalitionsausschuss kritisierte Kanzlerin Angela Merkel nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, dass der FDP-Politiker am Dienstagmorgen in einem Interview die Absenkung der Mehrwertsteuersätze für das Hotelgewerbe infrage gestellt hatte. Die Kanzlerin sei „stark verärgert“ gewesen. Denn in den vergangenen Wochen hatte sie als Regierungschefin die umstrittene Absenkung als Kompromiss verteidigt, obwohl sie selbst nicht überzeugt von dem Schritt war. Nun entstehe der Eindruck, als ob ausgerechnet die FDP, die damals neben der CSU auf der Absenkung bestanden habe, von der unpopulären Entscheidung abrücke.

Im Koalitionsausschuss soll FDP-Chef Guido Westerwelle seinen Generalsekretär mit dem Hinweis verteidigt haben, dass dieser nicht die Absenkung an sich kritisiert habe. „Man hätte aus meiner ... heutigen Sicht diesen einzelnen Umsatzsteuersatz nicht vorab senken sollen, sondern wir hätten da auf die große Reform warten müssen“, hatte Lindner im Deutschlandfunk gesagt. Auch der Bundesrechnungshof hat eine grundsätzliche Reform eingefordert. Das Volumen der Mehrwertsteuer-Vergünstigungen etwa für Nahrungsmittel, Zeitungen, aber auch Tierfutter bezifferte der Rechnungshof auf rund 20 Milliarden Euro.

Im September Grundsatzentscheidung

Die Koalition vertagte die Debatte nun auf September. Dann sollen auch die Vorschläge einer von der Regierung eingesetzten Kommission vorliegen. „Der Koalitionsausschuss wird sich in einer seiner nächsten Sitzungen nach der Sommerpause mit den politischen Grundfragen beschäftigen“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Altmaier. Es handele sich um eine Strukturdebatte, weshalb es keinen Sinn habe, über einzelne Maßnahmen zu sprechen.

Aber auch Altmaier wies darauf hin, dass die FDP ihre Position gewechselt habe. Die CDU habe von Anfang an auf ein Gesamtkonzept gedrungen. „Das ist nicht geschehen, weil zwei Koalitionspartner etwas anderes wollten. Wenn es jetzt Ansätze für ein Umdenken gibt, dann sind das Prozesse, die man nicht stören sollte.“

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte, es sei vereinbart, das Thema Mehrwertsteuer im Herbst relativ zügig im Koalitionsausschuss nochmal aufzurufen, „und das weitere Verfahren, wie es im Koalitionsvertrag schon hingelegt ist zu besprechen“. In Koalitionskreisen hieß es, neben der FDP poche vor allem CDU-Fraktionschef Volker Kauder auf eine Reform. Die Kanzlerin und Finanzminister Wolfgang Schäuble seien dagegen zurückhaltender.

Einige Mehrwertsteuersätze könnte auch sinken

Ausdrücklich soll es bei der Reform keine Denkverbote geben, hieß es in Koalitionskreisen. So soll geprüft werden, ob nicht bestimmte Mehrwertsteuer-Sätze gesenkt werden sollten. Im Gespräch ist etwa eine Verminderung für Arznei. In der Koalition gibt es zudem Überlegungen, mit möglichen Mehreinnahmen aus der Anhebung von Sätzen einen Sozialausgleich bei der Erhebung einer Prämie im Gesundheitssystem zu finanzieren. Weitgehend abgelehnt wird dagegen die Überlegung, Mehreinnahmen aus einer Anhebung der verringerten Sätze in den Bundesetat fließen zu lassen.

„Dies ist keine Debatte, die wir im Hinblick auf Einnahmeverbesserung für den Staat führen“, sagte Altmaier. Ziel sei es, das System der verringerten Mehrwertsteuersätzen so zu strukturieren, dass es einfacher, logischer und gerechter werde.

Die SPD lobte unterdessen die FDP: SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte, die Liberalen sähen langsam ein, dass das „milliardenschwere Mehrwertsteuergeschenk an die Hoteliers ein wahltaktischer Fehler war“. Den einsichtigen Worten müssten jetzt aber auch Taten folgen. (rtr)