Paris. .

Ein Jahr lang belauschte der Butler L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt (87). Seine Veröffentlichungen über die reichste Frau Frankreichs sind zur Staatsaffäre geworden.

Ein Jahr lang ließ der Butler bei Tischgesprächen von L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt (87) heimlich ein Diktiergerät mitlaufen. Sein Lauschangriff brachte nicht nur zu Tage, dass die greise Milliardärin geistig offenbar nicht ganz auf der Höhe war, als sie eine Milliarde Euro an den Pariser Fotografen Francois-Marie Banier verschenkte. Die spektakulären 24 CDs enthüllen auch, dass die reichste Frau Frankreichs rund 78 Millionen Euro am Fiskus vorbei in die Schweiz schaffte. Längst ist aus der tragikomischen L’Oréal- eine ernste Staatsaffäre geworden. Mitten in der Schusslinie steht nun Eric Woerth, Sarkozys wichtigster Minister.

Was wusste der frühere Budget- und jetzige Arbeitsminister vom grandiosen Steuerbetrug der Multi-Milliardärin? Eine heikle Frage, die die Nation seit Tagen aufwühlt und den Minister an den Rand des Abgrunds führt. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, reagierte Eric Woerth am Sonntagabend in einem kämpferischen Auftritt beim TV-Sender RTL.

Ehefrau verwaltete
Bettencourts Vermögen

Seit jeher gehen die Spitzen der französischen Republik und der gehobene Geldadel problematische Allianzen ein. Wo aus Gründen der Staatsräson strikte Distanz geboten wäre, suchen sie oft eine verwirrend intime Nähe. So auch im Fall der Familie Woerth.

Denn mit der Verwaltung des immensen Bettencourt-Vermögens – geschätzte 17 Milliarden Euro – war jahrelang ausgerechnet die Anlageberaterin Florence Woerth, die Ehefrau des Budgetministers, betraut. Erst unter dem anschwellenden öffentlichen Druck schied Madame Woerth in der vergangenen Woche pikiert aus Bettencourts Familienholding Clymène aus.

Wobei Eric Woerth nicht aufhört, ihre Unschuld zu beschwören: „Meine Frau ist für keinerlei Steuerhinterziehung verantwortlich. Sie wusste auch nichts von Konten in der Schweiz und anderswo.“

Paradies-Insel im
Indischen Ozean

Es sind nicht nur die 78 Millionen Euro aus dem Bettencourt-Vermögen, die am französischen Fiskus vorbei in die Schweiz geschafft wurden. Auch der Erwerb der Seychellen-Insel „Île d’Arros“, einst im Besitz des Schahs von Persien, ging in aller Diskretion und ohne Wissen der Steuerbehörden über die Bühne. Die Paradies-Insel im Indischen Ozean mit Traumvilla, Pool und Landebahn hat angeblich einen Wert von 500 Millionen Euro.

Wasser predigen, um selbst Wein zu trinken

Merkwürdig: Zwar soll die Justiz Woerth über den Verdacht der Steuerhinterziehung informiert haben, doch eine Fahndung unterblieb. Erst am Freitag erklärte die Staatsanwaltschaft von Nanterre, das Bettencourt’sche Privatvermögen nun gründlich ausleuchten und weitere mögliche Steuerbetrügereien aufdecken zu wollen.

Peinlich für den früheren Kassenwart der Nation: Kaum ein Politiker in Frankreich bekämpft das Schweizer Bankgeheimnis so leidenschaftlich wie er. Und so fragen Zweifler: Ist Woerth nur ein Heuchler, der Wasser predigt, um Wein zu trinken?

Frankreichs Präsident hält seinem wichtigsten Minister jedenfalls demonstrativ die Treue. Was bleibt ihm auch anderes übrig: Als neuer Arbeitsminister muss Woerth die „Rente mit 62“ (statt 60) durchboxen. Sie ist das ehrgeizigste Reformvorhaben des Staatschefs.

Die Ergebenheit zu Sarkozy beschert Eric Woerth nun weiteres Ungemach. Denn als Schatzmeister der Präsidentenpartei UMP obliegt ihm persönlich die äußerst heikle Aufgabe, Parteispenden großer Konzerne, darunter auch L’Oréal, zu verwalten bzw. locker zu machen.

Unterträglicher
Interessenkonflikt

Es ist zwar lange bekannt, dass der Politiker die ungewöhnliche Doppelfunktion Budgetminister/UMP-Schatzmeister ausübte, noch nun – in Zeiten größter Bedrängnis – wirft ihm die Opposition einen unerträglichen Interessenkonflikt vor.