Düsseldorf. .

Friede, Freude, Frauenfreundschaft - das demonstrieren derzeit Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann. Die SPD-Landeschefin und die Fraktionsvorsitzende der Grünen verstehen sich gut. Ein neuer rot-grüner Stil soll die alte Streitkoalition vergessen machen.

Was für einen gewaltigen Unterschied 15 Jahre machen können. Als SPD und Grüne im Jahr 1995 erstmals über eine Landesregierung in Nordrhein-Westfalen verhandelten, bestimmten nächtliche Krisensitzungen und Dauerkrach das Bild. Auf alten Fotos sehen die damaligen SPD-Spitzenpolitiker Johannes Rau, Wolfgang Clement und Klaus Matthiesen müde, genervt und grimmig aus. Heute lacht Rot-Grün in NRW. SPD-Landeschefin Hannelore Kraft und die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Sylvia Löhrmann, verstehen sich gut. Ein neuer rot-grüner Stil soll die alte Streitkoalition vergessen machen.

Dass Sozialdemokraten und Grüne überhaupt eine Minderheitsregierung im bevölkerungsreichsten Bundesland riskieren, wäre ohne das enge persönliche Verhältnis der beiden Frauen kaum denkbar. Als „sehr gut“ und „wirklich vertrauensvoll“ bezeichnen die beiden Politikerinnen ihre Zusammenarbeit. Zwei Frauen auf Augenhöhe stehen jetzt für Rot-Grün - nicht mehr „Koch und Kellner“ wie einst Gerhard Schröder und Joschka Fischer.

Löhrmann kann auch ruppig werden

Harmonisches Frauenduo: Sylvia Löhrmann (l.) und Hannelore Kraft. Foto: apn
Harmonisches Frauenduo: Sylvia Löhrmann (l.) und Hannelore Kraft. Foto: apn © APN

Die 49-jährige Kraft und die 53-jährige Löhrmann kennen sich seit dem Jahr 2000, als die SPD-Frau erstmals in den Landtag einzog. Beide sind „Kinder des Ruhrgebiets“. Kraft kommt aus Mülheim, Löhrmann aus Essen. Nachdem man sich jahrelang respektvoll gesiezt hatte, ist man seit Beginn der Koalitionsverhandlungen zum „Du“ übergegangen. Löhrmann spricht jedoch nicht von persönlicher Freundschaft, sondern von „gegenseitiger Wertschätzung“.

Der persönliche Stil der beiden Frauen ist unterschiedlich. Löhrmann kann bei Parlamentsdebatten auch ruppig werden, ist aber bei politischen Freunden wie Gegnern für einen stets ruhig-jovialen Umgangston bekannt. In der immer noch männlich dominierten alten Arbeiterpartei SPD haut Kraft schon mal rustikal auf den Tisch, auch wenn sie das Wort „Basta“ meidet. „Hannelore ist schnell auf der Palme, aber auch schnell wieder runter“, beschreibt ein SPD-Vorstandskollege ihr Ruhrpott-Temperament.

Auch in der Energiepolitik werden Kompromisse erwartet

Löhrmann und Kraft gehören zu den Pragmatikern in ihren Parteien. Bereits als Oppositionsführerinnen im Landtag traten sie oft gemeinsam auf, wenn es um Initiativen gegen die Regierung von CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ging. Als Kraft noch zu Zeiten der alten rot-grünen Koalition 2001 zur Europaministerin ernannt wurde, lobte Löhrmann - die bereits damals Fraktionsvorsitzende der Grünen war - die Personalie. Die „Quereinsteigerin und erfahrene Unternehmensberaterin Kraft“ könne dem Amt wichtige Impulse geben.

Im jüngsten Landtagswahlkampf bezeichneten sich Kraft und Löhrmann als Wunschpartner. Im Unterschied zu Rot-Grün I und II soll die dritte Regierungs-Legislaturperiode der beiden Parteien in NRW ein geschlossenes, griffiges Koalitionsprogramm bieten. Von der Einführung einer Gemeinschaftsschule bis hin zur staatlichen Förderung der erneuerbaren Energien reichen die Gemeinsamkeiten. Auch beim Thema Kohlekraftwerke und Steinkohle-Bergbau werden Kompromisse erwartet - trotz inhaltlicher Gegensätze. Die SPD steht weiter zu den Zechen, die Grünen wollen strikten Klimaschutz.

„Wir können uns die Meinung sagen, verletzen uns dabei aber nicht“

Es gehe ihr nicht um ein „neues rot-grünes Projekt“, hatte Kraft schon im Wahlkampf gesagt. Eine ideologische Überhöhung der Zusammenarbeit wie zuweilen auf Bundesebene oder in anderen Bundesländern soll es nicht geben. Von „einem rot-grünen Projekt“ spreche auch sie nicht, sagt Löhrmann, die als gesetzt für den Posten der Schulministerin gilt. Sie sieht die Grünen auch nicht in einem linken Lager. Schwarz-Grün hatte sie nie ausgeschlossen.

Dass die neue rot-grüne Harmonie in NRW nicht ungetrübt ist, zeigte sich in den letzten Wochen. Als Kraft nach den wochenlangen erfolglosen Sondierungen mit CDU, FDP und Linken zunächst „aus dem Parlament heraus“ Politik machen wollte, schritt Löhrmann ein. Sie ging vor die Presse und kritisierte die SPD scharf. Krafts Plan sei ein „Förderprogramm für Politikverdrossenheit“. Man dürfe Rüttgers nicht auf dem Posten des Regierungschefs belassen. Kurz darauf schwenkte Kraft auf Löhrmanns Kurs über.

Wie sagte Löhrmann auf dem Landesparteitag der Grünen über ihr Verhältnis zu Kraft: „Wir können uns die Meinung sagen, verletzen uns dabei aber nicht. Und wir können uns im Zweifel sogar trösten.“ Dies könnte irgendwann nötig sein, wenn die Minderheitsregierung scheitern sollte. (ddp)