Essen. .

Während die Zahl der militanten Nichtraucher wächst, gibt es auch Menschen, die den Qualm vermissen. Das sanft wabernde Rauchblau erinnert sie an ihre Jugend. Zudem gilt Qualm als wunderbarer Weichzeichner für das Gesicht ab 40. Und es gibt noch mehr Argumente.

Leute wie mich konnte ich früher nicht leiden: Nichtraucher! Ich habe vor exakt 16 Jahren aufgehört zu rauchen – und jeden Tag bereut. Nicht wegen der Zigaretten, die sind ja ungesund. Nein, mir fehlt der Kuschelfaktor. Der Bundesgesundheitsminister kriegt jetzt wahrscheinlich einen Herzinfarkt, aber meine Kindheit war in ein sanft waberndes Rauchblau getaucht. Wenn ich an meine Familie denke, sehe ich immer schnörkelige Schwaden (ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie virtuos sich verbranntes Nikotin verbiegen kann?), denn meine Eltern waren ähnlich begeisterte Raucher wie Helmut und Loki Schmidt. Heute haben die Leute überall bunte Vitaminpräparate in den Regalen, bei uns lagen in jedem Raum orangefarbene Ernte 23-Packungen.

Finger, die am Füller festfroren

Das qualmende Idyll verpuffte in den 80er Jahren, als mein Vater in einem Anfall von Selbstdisziplin das Rauchen aufgab. Was an sich eine gute Idee war, wenn er nicht beschlossen hätte, uns ebenfalls von den Vorzügen frischer Luft zu überzeugen. Dabei ging er sehr gerecht vor. Er hatte sich im Handumdrehen von Nikotin auf Sauerstoff umgestellt, also durften wir das auch. Ich saß gewöhnlich, den Kopf tief in einer Marlboro-Wolke, über meinen Abitur-Vorbereitungen, wenn mein Vater ins Zimmer stürmte, das Gesicht verzog, „Igitt!” rief und das Fenster über dem Schreibtisch aufriss, egal, ob es auf meine Hefte regnete oder mir die Finger am Füller festfroren.

Wir alle kennen den Rest der Geschichte. Genauso brachial haben sich die Nichtraucher weltweit durchgesetzt und glückliche Raucher zu wehmütigen Nichtrauchern zwangsbekehrt. Nachdem die Gesundheitsvorträge nichts genützt hatten, klagten sie uns vor die Tür, bis wir es leid waren, in Hauseingängen hektisch zu inhalieren.

Die Frischluftmafia gibt keine Ruhe

Und jetzt? Raucht fast keiner mehr. Wohin man kommt, ist die Luft in den Räumen glasklar. Dabei wären ein paar kleine höfliche Schwaden hilfreich. Es stimmt nicht immer, dass Rauchen dem Teint schadet, Qualm ist ein wunderbarer Weichzeichner für das Gesicht ab 40.

Aber die Frischluftmafia gibt immer noch keine Ruhe. Wenn Sie es genau wissen wollen, habe ich eigentlich nur aufgehört zu rauchen, damit ich mich mal bei geschlossenem Fenster im Winter wohl und warm fühlen darf. Von wegen. Die Luft ist rein, aber nein, jetzt muss sie keimfrei sein. Als wir in den 70er Jahren alle in dicke Schwaden gehüllt waren wie in einen rauchblauen Nerz, reagierte jeder dankbar, wenn man ein Fenster kippte. Seitdem die Nichtraucher die Macht übernommen haben, werden wir pausenlos mit Frischluft tyrannisiert, vielleicht sollte der Gesundheitsminister da mal ein Auge drauf haben. Wie hoch sind die Kosten, die Atemwegserkrankungen durch eiskaltes Lüften der Versicherungsgemeinschaft zufügen?

Mein ansonsten netter Kollege H., der bei minus fünf Grad T-Shirts trägt, fragt vier Mal täglich scheinheilig, ob er kurz lüften darf. Und dann reißt er ein Fünf-Quadratmeter-Panorama-Fenster auf, als käme Luft nur in großen Klötzen rein. Irgendwann werden sie Fassaden erfinden, die man komplett wegklappen kann, oder Häuser, die man von innen nach außen stülpt. Meine einzige Hoffnung sind die letzten tapferen Raucher vor dem Gebäude. Wenn mich irgendjemand da draußen hört... bitte, macht kräftig Dampf, vielleicht darf mein Fenster dann endlich geschlossen bleiben.

Marlboro, Automatenpackung, ca. 5 Euro.