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Die Zeitungsverlage fordern vom Staat „faire Rahmenbedingungen“ beim Wettbewerb mit öffentlich-rechtlichen Anbietern auf dem Online-Markt. Das betonte NRW-Verbandschef Christian Nienhaus im Interview.

Die Zeitungsverlage verlangen vom Staat „faire Rahmenbedingungen“ beim Wettbewerb auf dem Online-Markt. „Wir müssen in der Politik Verständnis dafür schaffen, dass, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in unser Geschäftsfeld vordringt, er das nicht mit Gebühren machen darf. Oder man müsste uns von der Mediengebühr für unsere elektronische Leistung einen Zuschuss geben“, sagte der WAZ-Geschäftsführer und Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Zeitungsverlegerverbands, Christian Nienhaus, in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. die uns dieses Interview zur Verfügung gestellt hat.

Hat das Endgerät Zeitungspapier noch eine Chance?

Nienhaus: Ja, die hat es. Ich glaube, dass Papier moderner ist als viele denken. Denn auch in einem digitalen Prozess ist das Papier ein Speichermedium, das ohne Stromquelle funktioniert und das so günstig herzustellen ist, dass man es nach Gebrauch wegwerfen kann. Wir glauben aber, dass Papier auf Dauer nicht das alleinige Ausgabemedium der Zeitung sein wird. Man muss in zunehmendem Maße dafür sorgen, dass Zeitungen auch auf anderen Endgeräte ausgegeben werden.

Was bedeutet das für die Verlage?

Nienhaus: Das bedeutet zunächst, dass wir journalistische Darstellungsformen für andere Medien finden. Damit sind wir auch schon ganz gut unterwegs - die Online-Zeitungen sind ja ganz ordentlich. Dabei spielt die stärkere Bedeutung von Bewegtbildern eine Rolle. Wenn Sie sich heute eine Online-Zeitung auf dem iPad anschauen, dann sind dort auch ganz wunderbar Videos zu integrieren.

Suche nach Geschäftsmodellen

Fürchten Sie nicht, dass die Gewichtung eher umgekehrt sein wird und die Leute auf Geräten wie dem iPad vor allem fernsehen statt zu lesen?

Nienhaus: Fernsehen gucken die Menschen immer noch am liebsten auf großen Bildschirmen. Ich glaube eher, viele Leute haben beim Fernsehen zu Hause noch ein iPad in der Hand, so wie bisher ein Buch oder eine Zeitschrift. Während das Fußballspiel läuft, liest man noch die Hintergründe zur Mannschaftsaufstellung nach. Aber natürlich hat man an der Stelle auch eine Konvergenz. Das ist es, was uns in eine Diskussion mit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bringt. Wir haben nie etwas dagegen gehabt, dass sie Fernsehen mit Rundfunkgebühren machen. Wir müssen aber bei der Mischung von Bewegtbild und Text auf Endgeräten wie dem iPad ein Geschäftsmodell suchen. Und das darf nicht von Anbietern mit einer steuerähnlichen Gebühr abgetötet werden.

Sie konkurrieren auf dem neuen Medienmarkt ja nicht nur um die Leser, die Nutzer der Inhalte, sondern auch um die Anzeigenkunden. Geraten Sie hier in Gefahr?

Nienhaus: Es ist eine Herausforderung. Wir glauben, dass die Werber, die bei uns inserieren, auch immer davon profitieren, dass sie Kleingedrucktes wie Preisinformationen bei uns gut kommunizieren können, viel besser als im flüchtigen Bewegtbild. Das gilt für Aldi oder Lidl, das gilt aber auch für Autohändler, die ihre Finanzierungsbeispiele darstellen. Das Fernsehen hat den schön gemachten Spot, wo ich das Auto über eine Küstenstraße fahren sehe. Insofern hat da jeder seine eigene Nische. Auf elektronischen Endgeräten wird beides kombinierbar sein. Die Preisinformation, der Konfigurator und der 30-Sekunden-Spot mit der Küstenstraße.

Werden sich aber die Werber nicht an den Preisen orientieren, die sie bei Online-Inseraten gewöhnt sind, statt Zeitungspreise zu zahlen?

Nienhaus: Das wird man sehen, das ist genau die Krise des Geschäftsmodells. Wir müssen zusehen, dass wir, wenn wir die journalistische Leistung auch in Zukunft erzeugen wollen, auch einen Finanzierungsbeitrag von den Onlineangeboten bekommen, die ja bisher in den meisten Fällen die für Print erzeugten journalistischen Leistungen zweitverwerten. Wenn man eine Zukunft ohne Printmedien hätte, dann gäbe es auch keine Leistungen, die online kostenlos zu haben wären. Aber noch funktioniert das Finanzierungsmodell Print ja gut. Und wir glauben, dass eine unserer Kernkompetenzen der Lokaljournalismus ist. Je überregionaler das Geschäft, desto mehr Konkurrenten habe ich. Aber wenn ich wissen will, was in meiner Stadt los ist, wie der Fußballverein in meiner Nachbarschaft gespielt hat, dann muss ich mit hoher Wahrscheinlichkeit den Lokalteil meiner Zeitung zur Hand nehmen oder auf deren Seite klicken. Über Bayern München dagegen finde ich überall etwas. Zugleich machen wir das überregionale Werbegeschäft, weil wir viele lokale Märkte kombinieren.

Soll der Markt alleine regeln, ob das auch online gelingt?

Nienhaus: Wir sind generell skeptisch, wenn der Staat etwas regeln will. Man sieht ja beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dass es dann immer wieder Debatten gibt über Staatsferne und Einfluss. Wir sind deshalb mit dem Wunsch an den Staat herangetreten, dass er uns faire Rahmenbedingungen schafft, dass er den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Zeitungen beibehält, weil wir ja auch eine Kulturleistung erbringen. Wir fördern die Lesefähigkeit, das ist uns ja zum Beispiel hier in Nordrhein-Westfalen zusammen mit der Landesregierung im Projekt „ZeitungsZeit“ gelungen, mit dem wir Zeitungen in die Schulen gebracht haben. Da muss auch die Politik ein Einsehen haben, dass man nicht in jeder Schule ganz viel investiert in schnelles Internet, aber kein Geld mehr hat, um den Schülern auch mal eine Zeitung in die Hand zu drücken. Und wir müssen in der Politik Verständnis dafür schaffen, dass, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk in unser Geschäftsfeld vordringt, er das nicht mit Gebühren machen darf. Oder man müsste uns von der Mediengebühr für unsere elektronische Leistung einen Zuschuss geben.