Düsseldorf..

Kurz vor der Wahl kritisieren Gewerkschaften und Wissenschaftler das Bildungssystem der schwarz-gelben Landesregierung: Zwar gebe es mehr Lehrer und weniger Sitzenbleiber, doch die Zahl benachteiligter, chancenloser Kinder steige ebenfalls - ein Zeichen für „soziale Spaltung“.

Zweieinhalb Wochen vor der Landtagswahl am 9. Mai haben Gewerkschaften und Wissenschaftler die Bildungspolitik der schwarz-gelben Landesregierung kritisiert. Die Koalition habe seit ihrem Regierungsantritt 2005 zwar mehr Lehrer eingestellt und die Zahl der Sitzenbleiber an den Schulen reduziert. Gleichzeitig gebe es aber eine wachsende Zahl von Benachteiligten und Chancenlosen, sagte der Bildungsforscher Klaus Klemm am Mittwoch in Düsseldorf. Der DGB und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warfen CDU und FDP vor, dass die „soziale Spaltung“ im Bildungssystem wachse. Die Landesregierung wies die Vorwürfe zurück.

Die von Klemm erstellte Studie kommt demnach zu einem „besorgniserregenden Befund“. Verbesserungen hätten vor allem an den Gymnasien stattgefunden, in den Hauptschulen gebe es weiterhin zu viele Sitzenbleiber und junge Menschen ohne Schulabschluss. „Oben hui, unten pfui“, sagte Klemm. Um eine wachsende Gruppe von „Kellerkindern“ aus sozial benachteiligten Familien habe sich die Landespolitik in den vergangenen fünf Jahren zu wenig gekümmert. Die Studie ist eine Zwischenbilanz des sogenannten Bochumer Memorandums, mit dem 2005 mehr Chancengleichheit im NRW-Bildungssystem eingefordert worden war.

„Abgehängt wie eh und je“

Während bei den mittleren und höheren Qualifikationsniveaus Fortschritte zu verzeichnen seien, blieben Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aus sozial schwächeren Familien „abgehängt wie eh und je“, sagte Klemm. „Sie finden angesichts knapper Angebote kaum Zugang zu frühkindlicher Bildung und wechseln häufiger in anspruchsärmere Bildungswege wie den der Haupt- oder Förderschule.“ Im internationalen Vergleich hinkt NRW demnach immer noch hinter den OECD-Durchschnittswerten hinterher.

„Das Abschieben einer großen Gruppe junger Menschen in Ausbildungs- und Erwerbslosigkeit widerspricht den Zielen einer Gesellschaft, die sich auf Gleichheit und Gerechtigkeit gründet“, sagte DGB-Landesvize Sabine Graf. GEW-Landeschef Andreas Meyer-Lauber warf Schwarz-Gelb vor, etwa mit Kopfnoten und mehr Tests den Druck auf Schüler zu erhöhen. Zu wirklichen Reformen wie der Überwindung der alten Schulstruktur sei es nicht gekommen.

Landesregierung verteidigt sich

Die Landesregierung kritisierte die Studie und verteidigte ihre Bilanz. „Beim Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg waren wir bei PISA 2000 und 2003 unter Rot-Grün noch Schlusslicht aller Bundesländer. Gemeinsam mit Nieder­sachsen sind wir das einzige Bundesland, das dann bei PISA 2006 zu deutlich sichtbaren Verbesserungen kam“, sagte Schulministerin Barbara Sommer (CDU). In keinem anderen Bundesland sei der Zusammenhang von sozialer Her­kunft und Leseleistungen so stark gesunken wie in NRW. „Die soziale Schere geht wieder zusammen“, sagte die Ministerin.

„Die Pro-Kopf-Ausgaben je Schüler liegen heute rund 1000 Euro höher als unter der rot-grünen Vorgängerregierung“, sagte auch die FDP-Bildungspolitikerin Ingrid Pieper-von Heiden. In Zukunft wolle man die Größe der Schulklassen weiter verringern.

„Traurige Bildungsbilanz“

Von einer „traurigen Bildungsbilanz“ sprach hingegen SPD-Fraktionsvize Ute Schäfer. „Die schwarz-gelbe Hauptschuloffensive ist krachend gescheitert“, sagte die frühere Schulministerin. An den NRW-Schulen fehlten derzeit 5000 Lehrkräfte.

Auch für die Grünen hat die Regierung ihr „Klassenziel verfehlt“. Anstelle eines „echten Bildungsaufbruchs für alle“ habe die Landesregierung „die soziale Selektion verschärft“, sagte Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. (ddp)