Hannover. .

Erstmals seit Jahrzehnten ist der Trend gestoppt, dass immer mehr Kindern gebildeter Eltern studieren und immer weniger Kinder aus niedrigeren Schichten. Das geht aus einer neuen Sozialerhebung hervor. Dennoch entscheidet weiter vor allem die Herkunft über die akademische Bildung.

2009 schrieben sich wieder mehr Studenten aus unteren und mittleren Schichten an Unis und Fachhochschulen ein, wie aus der neuesten Sozialerhebung des Hochschulinformationssystems (HIS) hervorgeht. Zur Verfügung hatten Studenten pro Monat im Schnitt 812 Euro.

Mehr als 20 Jahre lang verzeichneten die Hochschulexperten einen Anstieg des Anteils von Akademikerkindern, und zwar von 36 Prozent im Jahr 1985 auf 51 Prozent im Jahr 2006. Im vergangenen Jahr stieg der Anteil der mittleren und niedrigen Herkunftsgruppe jedoch um drei Prozentpunkte auf 41 Prozent an. Die sogenannte Herkunftsgruppe „hoch“ - dies ist die Bezeichnung für Akademikerkinder - ging um zwei Punkte zurück.

Regierung feiert das Ergebnis

Das Bundesbildungsministerium zeigte sich über das Ergebnis erfreut. „Der Raum für Bildungsaufstieg nimmt damit zu“, erklärte Staatssekretär Thomas Rachel in Berlin. Gleichwohl müsse man daran arbeiten, Chancengerechtigkeit erreichen: „Der Bildungsstand der Eltern darf keine Rolle für den Bildungsaufstieg spielen.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht weiter große Defizite im Bildungssystem: Hochschulbildung sei ein vererbtes Privileg der höheren Schichten. „Der Anteil der Studierenden aus einkommensschwachen Familien ist noch immer beschämend gering, auch wenn es hier minimale Besserung gegeben hat“, erklärte der DGB.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft erklärte, zwar sei der Anteil der Studenten aus Arbeiterfamilien leicht gestiegen. „Trotzdem sind 24 von 100 Arbeiterkindern, die studieren, immer noch viel zu wenige. In Akademikerhaushalten sind es fast drei Mal so viele.“ Diese Zahlen seien alarmierend.

Studenten flüchten nicht vor Studiengebühren

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Studenten kaum vor Studiengebühren flüchten. Von den Studenten, die ihr Abitur in einem Bundesland mit Gebühren ablegten, studieren 86 Prozent auch in einem dieser Länder. Das ist derselbe Anteil wie drei Jahre zuvor. „Die häufig geäußerte Erwartung einer Gebührenflucht bestätigt sich insofern nicht“, erklärten die Wissenschaftler. Allerdings gibt es eine leichte Tendenz von Studenten aus gebührenfreien Ländern, dort zu studieren und nicht wegzuziehen.

Das Deutsche Studentenwerk erklärte, erstmals sei nun bekannt, wie die Studenten ihre Studiengebühren bezahlten: In 59 Prozent der Fälle kommen die Eltern auf, 30 Prozent der Studenten zahlen selbst, und nur elf Prozent greifen auf ein Darlehen zurück. Wenn die Eltern nicht zahlen könnten, müssten die Studenten für die Gebühren jobben, Studenten aus niedrigen Herkunftsgruppen deutlich mehr.

Monatlich hatten Studenten im vergangenen Jahr durchschnittlich 812 Euro zur Verfügung. Dabei gibt es eine große Spannbreite, die allerdings kaum auf die soziale Herkunft zurückgeht.

„Anteil der Bafög-Bezieher stagniert nahezu“

Von einer insgesamt positiven Bilanz sprach die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel. „Studienbeiträge führen nicht zu einer Veränderung des Sozialgefüges oder zu Wanderungsbewegungen in gebührenfreie Länder.“ Diese befürchteten negativen Effekte von Studienbeiträgen seien ausgeblieben.

Erfreulich sei auch, dass die Geförderten aufgrund der Bafög-Erhöhung spürbar mehr Geld zur Verfügung hätten. Mit der Unterstützung könne man aber nicht zufrieden sein. Studenten bezögen anteilig wieder etwas mehr aus eigener Erwerbsarbeit, was keine befriedigende Entwicklung sei: „Die jungen Leute sollten sich auf ihr Studium konzentrieren können.“