Kamp-Lintfort/Duisburg. .

Ein 16-jähriger Schüler ist der Hauptverdächtige im Fall des toten Obdachlosen in Kamp-Lintfort. Er wurde wegen Mordverdachts dem Haftrichter vorgeführt.

Kerzen, Blumen und Briefe wurden am Tatort niedergelegt. (Fotos: Markus Joosten)
Kerzen, Blumen und Briefe wurden am Tatort niedergelegt. (Fotos: Markus Joosten) © Markus Joosten / WAZ FotoPool

Der Fall des toten Obdachlosen, der am Sonntagmorgen auf dem Parkplatz an einem Spaßbad in Kamp-Lintfort entdeckt worden war, scheint weitgehend aufgeklärt: Wie die Staatsanwaltschaft am Freitagabend mitteilte, wurden insgesamt vier Tatverdächtige im Alter von 16 und 17 festgenommen. Nach Angaben der Ermittlungsbehörden hatten sie den 51-jährigen Obdachlosen, der in einem alten Auto nächtigte, offenbar aus Langeweile provoziert und und sein Fahrzeug beschädigt. Als er sie mit einer Handykamera dabei fotografierte, sei die Situation eskaliert. Während zwei der Jugendlichen sich vom Tatplatz entfernten, habe der Hauptverdächtige das Opfer mit Schlägen traktiert. Der sehbehinderte Mann starb später an den Verletzungen. Die Beschuldigten stammen aus Kamp-Lintfort und haben die Tat laut Staatsanwaltschaft bereits gestanden. Der Haupttäter wurde wegen Mordverdachts dem Haftrichter vorgeführt. Die Festnahme der Jugendlichen sei durch einen Hinweis aus der Bevölkerung zustande gekommen, erklärte der Sprecher.

Trauer in Kamp-Lintfort

Unterdessen sind die Bügrer in Kamp-Lintfort entsetzt über den Gewaltausbruch:Der Tatort ist zu einem Ort der Trauer geworden. Unter einem Baum stehen Kerzen, liegen Blumen; sie bilden einen Altar der Erinnerung an einen Menschen, der diesen Parkplatz als sein Zuhause gewählt hatte. Die Menschen in Kamp-Lintfort drücken ihre Trauer, ihre Wut und ihr Unverständnis auch in Worten aus, als Papier gewordenen Mahnmale liegen sie neben den Kerzen, hängen sie am Baum: „Warum hat man so etwas Grausames getan?“ Unterzeichnet hat „Ein trauernder Mensch“. „Warum seid ihr zu Mördern geworden?“, schreibt ein anderer.

„Ich kann sie nur verachten“

Ein kariertes Blatt liegt am Boden, „Zum Lesen“ lautet der Hinweis, und es trägt eine Unterschrift: „Ich bin 20 Jahre alt. Ich behaupte mal, dass die Täter nicht viel älter sind. Ich kann sie nur verachten. Ich verlange eine gerechte Strafe, keine Sozialstunden oder so einen Quatsch wie eine Behandlung, um deren Defizite aufzubessern.“

Kamp-Lintfort trauert um einen Menschen, der am Rande der Gesellschaft lebte und nun im Tode mehr Beachtung finden mag als zu seinen Lebzeiten. „Ich hab’ den Klaus gekannt – ich bin ja jeden Tag mit meinem Hund da vorbei.“ Der Klaus, das ist der Mann, der in einem alten Opel Corsa auf dem Parkplatz am Pappelsee wohnte. Der Klaus, das ist der Mann, der in der Nacht zu Pfingstsonntag starb. Dieter Morhenn wohnt am Pappelsee, begegnete dem 51-Jährigen Obdachlosen täglich auf seiner morgendlichen Runde mit dem Hund. Gesprochen hat er mit ihm nie.

Jeden Tag erinnern

Menschen gedenken dem Toten.
Menschen gedenken dem Toten. © Markus Joosten / WAZ FotoPool

„Er war morgens überhaupt nicht ansprechbar“, erinnert sich Dieter Morhenn. „So um 8 Uhr herum stieg er aus dem Opel aus, klappte die Heckklappe hoch und machte sich Kaffee.“ Das Wasser holte sich der 51-Jährige im Hallenbad, dort duschte er auch. „Ich hab’ ihn bedauert“, so Morhenn, „dass der die Kälte überstanden hat...“ Der alte Opel stand den Winter über immer an der gleichen Stelle, jedoch nur nachts, so Morhenn. Morgens sei ein junger Mann auf einem Fahrrad gekommen, der dann mit dem 51-Jährigen gemeinsam im Opel weggefahren sei. Der Kofferraum und die Rücksitzbank seien mit Decken, Kissen, vielleicht auch Kleidung vollgestopft gewesen. Nun ist der Opel nicht mehr dort – aber Dieter Morhenn wird sich jeden Tag, an dem er mit seinem Hund die Runde um den Pappelsee macht, an den Klaus erinnern. (Mit Material von ddp)