Den Haag. .
Die Liberalen sind nach der Wahl in Holland stärkste Kraft im Parlament vor den Sozialdemokraten. Rechtspopulist Wilders auf dritter Position. Der christdemokratische Regierungschef Balkenende trat zurück.
Die rechtsliberale Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) hat sich zum Sieger einer Parlamentswahl in den Niederlanden erklärt, die den bisher regierenden Christdemokraten eine Erdrutschniederlage einbrachte. Der VVD errang 31 Mandaten und liegt damit knapp vor den Sozialdemokraten, die mit 30 Abgeordneten in die Kammer mit 150 Sitzen einziehen.
Die Christdemokraten von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende verlieren fast die Hälfte ihrer Sitze und werden nur noch mit 21 Abgeordneten im neuen Parlament vertreten sein. Die Freiheitspartei (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders kann dagegen ihre Mandatszahl mehr als verdoppeln und wird mit 24 Sitzen drittstärkste parlamentarische Kraft.
Wilders will mitregieren
„Es sieht so aus, dass die VVD erstmals in ihrer Geschichte stärkste Partei in den Niederlanden wird“, sagte Rutte, der als Spitzenkandidat der Rechtsliberalen Nachfolger von Balkenende wird. Der Christdemokrat, der seit acht Jahren regierte, trat als Konsequenz aus der schweren Niederlage von der Parteiführung zurück. Balkenende übernahm unmittelbar nach dem Urnengang die Verantwortung für das schlechte Abschneiden: „Die Ergebnisse sind sehr, sehr enttäuschend“, sagte der 54-Jährige. „Das ist eine Ohrfeige.“ Balkenende kündigte zugleich an, nicht dem neuen Parlament angehören zu wollen. Das Amt des Ministerpräsidenten wolle er bis zur Konstituierung einer neuen Regierung weiterführen.
Zehn Parteien schafften den Einzug ins Parlament, in dem 76 Stimmen für eine Mehrheit benötigt werden. Die Sozialistische Partei (SP) verlor ebenfalls kräftig und stellt mit 15 Abgeordneten zehn weniger als bisher. GrünLinks (GL) steigerte ihre Mandatszahl um drei auf zehn, die Demokraten 66 (D 66) sind künftig mit zehn statt mit drei Abgeordneten vertreten. Die Christenunion (CU) verlor einen Sitz; sie stellt fünf Abgeordnete. Zwei weitere kleine Parteien erhalten vier Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei 74 Prozent.
In Jubelstimmung war Rechtspopopulist Wilders: „Wir wollen wirklich Teil der Regierung werden“, sagte er. „Die anderen Parteien können nicht an uns vorbei.“ Angesichts des Ergebnisses dürfte sich die Regierungsbildung schwierig gestalten. Klar ist nur, dass der Wahlsieger den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Spitzenkandidat der Liberalen, Mark Rutte, erklärte am Morgen im Fernsehen: „Ich bin Spitzenkandidat und damit Kandidat für den Posten des Regierungschefs. Aber zuerst muss eine stabile Koalition gebildet werden.“ Der 43-Jährige ehemalige Wirtschaftsmanager wäre der erste liberale Regierungschef in den Niederlanden seit dem Ersten Weltkrieg. Er hatte im Vorfeld der Wahl mehrfach erklärt, er wolle keine Partei für eine Koalition ausschließen. Das könnte dazu führen, dass der Rechtspopulist Wilders in die Regierung kommt.
Die vorgezogene Neuwahl wurde notwendig, weil Balkenendes Mitte-Rechts-Regierung im Februar am Streit über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zerbrach. Die Regierungsbildung könnte sich nun über Monate hinziehen: Als wahrscheinlich gilt ein Bündnis von VVD und PvdA mit den kleineren Linksparteien GrünLinks und D 66. Vor der Wahl hatten noch so gut wie alle Parteien ein Bündnis mit Wilders ausgeschlossen. Der VVD-Abgeordnete Hans van Baalen sagte aber am Wahlabend, es sei „absolut logisch, dass wir nach diesem Ergebnis mit der Freiheitspartei sprechen werden“.
Wahlkampf von Wirtschaftsthemen dominiert
Die niederländischen Parlamentswahlen waren die ersten in einem Land der Eurozone seit Bekanntwerden der griechischen Haushaltskrise und der mit ihr einhergehenden Euroschwäche. Vor diesem Hintergrund legten die Liberalen, die ein ehrgeiziges Sparprogramm im öffentlichen Sektor und tiefe Einschnitte planen, in den Umfragen zuletzt zu und wurden zum Favoriten der Wahl. Die Partei des 43-jährigen Rutte hat als Ziel ausgegeben, das Staatsdefizit, das derzeit bei 5,3 Prozent der Bruttoinlandsproduktes (BIP) liegt, auf Null herunterzufahren. Die VVD trat für einen Abbau des Haushaltsdefizits ohne Steuererhöhungen ein, will das Renteneinstiegsalter heraufsetzen und die Einwanderungspolitik verschärfen. Die Sozialdemokraten dagegen wollten an den Sozialausgaben nicht rütteln, die Steuern erhöhen und Einwanderer besser integrieren.
Die Freiheitspartei will die Einwanderung aus muslimischen Ländern unterbinden, den Bau neuer Moscheen verbieten und eine „Kopftuchsteuer“ einführen. (ap)